Stadttheater Fürth: Keine Macht den Angstmachern!

18.8.2017, 21:00 Uhr
Stadttheater Fürth: Keine Macht den Angstmachern!

© Foto: Hans Winckler

Natürlich ist, um wieder mal einen Fußball-Vergleich zu bemühen, das Stadttheater nicht der FC Bayern München der deutschsprachigen Musical-Landschaft. Aber auch im soliden Mittelfeld setzt man sich hehre Ziele und will den Fans mit attraktiven Transfers Qualität liefern. So betrachtet, war es nur folgerichtig, Thomas Borchert nach dem Riesenerfolg mit "next to normal" und dem Erfolg mit "Luther — Rebell Gottes" ein weiteres Mal nach Fürth zu holen.

In der bestens vernetzten Musical-Fangemeinde sprach sich jedenfalls schon zu Beginn des Jahres wie ein Lauffeuer herum, dass der smarte Essener, ein Hauptrollen-Abräumer in allen großen Metropolen, abermals das Stadttheater rocken wird — wobei "rocken" bitte nicht wörtlich zu nehmen ist. Die Story meines Lebens (14. Oktober) ist ein Zwei-Personen-Kammerspiel und in so ziemlich allen Belangen das exakte Gegenteil von Bombast, Showglitter und hechelnder Bühnenmaschinerie. Neil Bartram schrieb die Musik und Liedtexte, von Brian Hill stammt das Buch. "The Story of my Life" wurde 2006 in Toronto uraufgeführt, 2008 feierte das Stück Premiere am Broadway. Viermal wurde es für den New Yorker Theaterpreis Drama Desk Award nominiert, als bestes neues Musical, für die beste Musik, die besten Liedtexte und das beste Buch. Ausbeute: null.

Im Zentrum stehen zwei sehr unterschiedliche Männer: Thomas Weaver, ein erfolgreicher Kurzgeschichten-Autor, und der Buchverkäufer Alvin Kelby. Beide kennen sich seit ihrer Jugendzeit und waren damals eng befreundet. Thomas zieht hinaus in die Welt und macht sich einen Namen. Alvin bleibt in der Kleinstadt, in der beide aufwuchsen; ihm ist das Glück weniger hold, an einem Weihnachtsabend nimmt er sich das Leben. Thomas kehrt zurück in die Stadt seiner Kindheit, um eine Trauerrede auf seinen alten Freund zu halten. Beim Verfassen muss Thomas sich auch seinen Erinnerungen stellen und bemerkt, dass Alvin in seinem Leben eine weit größere Rolle gespielt hat als angenommen.

Über die deutschsprachige Erstaufführung Ende 2014 im winzigen Wiener Theater Center Forum schieden sich die Geister. Herzbewegt und zutiefst gerührt zeigten sich viele Theaterbesucher in den sozialen Medien, die Euphorie der Lokalpresse war deutlich gebremster. Insofern mag es ein Hoffnungszeichen sein, dass Borchert und Kumpel Jerry Marwig — die beiden arbeiteten bereits mehrfach und seit Jugendtagen zusammen — für die deutsche Erstaufführung in Fürth die Vorlage kurzerhand neu übersetzt haben. Für 18/19 ist eine Tournee geplant. Ein intimes Stück, das ohne die klangvolle Besetzung zweifellos im Kulturforum gezeigt worden wäre, nun also im großen Haus — ein Wagnis, dem man mit Spannung entgegenblicken darf.

Grimm-Parabel

Kaum weniger ungewöhnlich: Das Weihnachts-Familienstück geht heuer ebenfalls ins Premieren-Abo. Das Schauspiel Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen (10. Dezember) entstand nach dem Märchen der Gebrüder Grimm — für Stadttheater-Dramaturg Matthias Heilmann "eine Geschichte, die nicht nur für Kinder geeignet ist" und die "sehr gut den Unterschied zwischen Angst und Furcht aufzeigt". In Furcht einflößenden Zeiten kann diese Parabel Mut machen, sich Angstmachern entgegenzustellen und Mitmenschlichkeit zu leben.

Auf der Bühne agieren alle vier Mitglieder des hauseigenen Kult-Ensembles, Regisseur ist jedoch nicht, wie noch im Spielplan vermeldet, Kult-Chef Thomas Stang; der frisch gebackene Vater lässt Gerd Beyer den Vorrang. Der vom Staatstheater Nürnberg und Gostner Hoftheater bekannte Schauspieler und Regisseur betreute schon in der vergangenen Saison das rundum überzeugende Klassenzimmer-Stück "Fluchtwege".

Eine entmenschlichte Gesellschaft als Folge von Krieg, Not und Gewalt zeichnet Bertolt Brecht in Mutter Courage und ihre Kinder (13. Januar). Die "unglaubliche Sprachgewalt" des Stückes, das Brecht im schwedischen Exil 1938/39 schrieb, sei auch 2017 noch überaus aufregend. In der Rolle der Marketenderin Anna Fierling, die ihre Kinder nach und nach im Dreißigjährigen Krieg verliert, wird Michaela Domes zu erleben sein, die Live-Musik arrangiert Norbert Nagel. Regie führt Werner Bauer, der die Stadttheater-Chefetage mit seiner "Luther"Produktion ins Schwärmen brachte. Er habe. so Intendant Werner Müller, bewiesen, "dass er dem Klischee des Musical-Regisseurs widerspricht".

Detlev Glanerts Lieblingskomponisten heißen Mahler und Ravel — und Dramaturg Heilmann bemüht sich gleich mehrfach zu versichern, dass Glanerts Oper Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (13. April) garantiert keinen Theatergänger in die Flucht schlagen werde, dem das Wort "Moderne" unruhige Nächte beschert. Der Hamburger, Jahrgang 1960, schuf seine 2000 vollendete komische Oper auf Grundlage des Stückes von Christian Grabbe.

Vier Naturforscher bezweifeln die Existenz des Teufels und beharken sich auf das Urkomischste — bildungsbürgerliches Deutschtum und Standesdünkel bekommen hier ihr Fett ab, und auch musikalisch hat Glanert einige Gags in petto. Guido Johannes Rumstadt vom Staatstheater nebenan dirigiert diese Koproduktion von Stadttheater und Nürnberger Musikhochschule. Regisseur Dominik Wilgenbus, der unter anderem bei August Everding sein Handwerk lernte, gilt zudem als Experte für witzige Musiktheaterstoffe. Ob die Fürther mitlachen: Im Frühjahr 2018 wissen wir mehr.

ZAbo-Neubestellungen — das Premieren-Abonnement kostet zwischen 78 und 130 Euro — nimmt das Stadttheater Fürth (Königstraße 116) bis 29. September entgegen. Im Spielplanheft zur Saison 2017/18 gibt es weitere Informationen und den Bestellzettel.

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