Stein: Bezirk zieht aufs Dorf

26.10.2016, 16:00 Uhr
Stein: Bezirk zieht aufs Dorf

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Was für eine Geschichte hat das Anwesen aus dem späten 18. Jahrhundert hinter sich: Architekt Hermann Keim kann darüber nur staunen. Die Befunde zeigen, dass es einst eine wohlhabende Bauernfamilie erbaut hat. Teurer Sandstein bis ins zweite Geschoss, solide Bauweise und Luxus wie eine vollständig mit Schablonenmalerei dekorierte Gute Stube beweisen: Hier lebten keine armen Leute. Aus dem Stall wurde irgendwann eine Schmiede. Eines Tages jedoch blieb die Zeit in dem Domizil stehen, es wurde kaum mehr saniert, mal stand es leer, mal war es bewohnt. Als die Stadt Stein Gelände für ihren Bauhof suchte, war die leere Immobilie quasi fast als Zugabe dabei.

Die Besonderheiten des Gebäudes, die wohl gerade deshalb erhalten blieben, weil es ein stiefmütterliches Dasein fristete, wurden erst jetzt erkannt. Ein Glücksfall war es für die Stadt Stein, dass der Bezirk Mittelfranken auf Immobiliensuche war. Der Mietvertrag wurde ausgehandelt, und die Stadt sagte die Sanierung für 1,3 Millionen Euro zu. Doch dann die Katastrophe: Am 2. Oktober 2015 stand das Anwesen in hellen Flammen. Grund war ein Fehler bei der thermischen Schädlingsbekämpfung des Holzes.

Nach den Löscharbeiten stellte sich schnell heraus, dass eine Sanierung nicht ausreichen würde. Es musste rekonstruiert werden. So ist inzwischen der Giebel aus neuen und alten Sandsteinen wieder errichtet.

Die alten Kappengewölbe im ehemaligen Stall sind nur noch an einigen Stellen im Originalzustand, sie wurden teils aus Ziegelsteinen oder Beton rekonstruiert. Eine Besonderheit wird die Nachbildung aus Acrylglas werden; es ist mit einem Muster verziert, das eine alte Trachtenspitzenborte zeigt.

Bangen mussten die Denkmalschütze, ob die Gute Stube zu retten war. Sie war während der Löscharbeiten komplett durchfeuchtet worden und setzte in kürzester Zeit Schimmel an. Das Dekor verschwand fast komplett unter schwarzem Belag. Ein halbes Jahr liefen die Trockengeräte, die Wände wurden mit einem Spezialmittel abgewaschen, dann gaben die Restauratoren Entwarnung. Die Schablonenmalerei, die in mehreren Schichten Wände und Decke ziert, ist zu retten.

Kornblumenblau

Genau das machen aktuell Bernhard Studtrucker, Klaus Wiesäckel und als leitender Restaurator Holger Schatz. Studtrucker und Wiesäckel kratzen mit winzigen Werkzeugen Millimeter für Millimeter die Dekoration frei. Am Ende soll die Besucher ein kornblumenblaues Zimmer überraschen, das eine 100 bis 120 Jahre alte Wandverzierung zeigt.

Im Frühjahr 2017 werden drei Einrichtungen des Bezirks auf rund 440 Quadratmetern eine neue Heimat in Stein finden: die Trachtenforschungs- und Beratungsstelle mit ihrem umfangreichen Archiv, das Büro des alljährlichen Kulturereignisses „Fränkischer Sommer“ und, ganz neu, der Popular-Musikberater, der sich um Startchancen für junge Bands in Mittelfranken kümmert.

Steins Bürgermeister Kurt Krömer freut sich nicht nur darüber, dass Stein die erste Kommune im Landkreis Fürth ist, in der es eine Einrichtung des Bezirks gibt, sondern zugleich, dass etliche örtliche Firmen an dem Projekt beteiligt waren. Die Wiederauferstehung des alten bäuerlichen Anwesens zum Kulturhaus des Bezirks ist also auch eine Wirtschaftsförderung für die Region.

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