Stein: Motorsäge schafft Tatsachen

11.4.2018, 06:00 Uhr
Stein: Motorsäge schafft Tatsachen

© Hans-Joachim Winckler

Die Parkstraße durchschneidet den alten Krügelbesitz: Auf der einen Seite ist das 2015 eingeweihte Shoppingcenter empor gewachsen, auf der anderen Seite stehen noch die Betonriesen des Möbelhauses aus den 1970er und 80er Jahren. Die massiven Gebäude sollen jetzt zugunsten von 200 Wohneinheiten weg, die Vorarbeiten dazu haben bereits begonnen. Und genau darüber ärgern sich die Anwohner der Parkstraße. Werner Bitterwolf haben sie zur ihrem Sprecher erkoren.

Bitterwolf schildert, wie er beim Frühstück von Geräuschen einer Motorsäge überrascht wurde. Weil der Lärm gar nicht enden wollte, blickte er aus dem Fenster und traute seinen Augen nicht. Das Wäldchen hinter seinem Haus war schon zu Teilen niedergesägt und sollte im Häcksler verschwinden, darunter stattliche Fichten. Also zog er sich eilends an und forderte den sofortigen Stopp der Arbeiten.

Widerspruch eingelegt

Denn Bitterwolf erinnert sich noch genau daran, dass einst seine Mutter gegen den Bebauungsplan der Erweiterung des Krügel-Möbelhauses Einspruch eingelegt hatte. 1987 hatte sie sich gleich in mehreren Punkten durchgesetzt. Der Anbau durfte nicht zu nah an die bestehenden Wohnhäuser heranrücken und keine Schaufenster haben. Außerdem sollte als Blickschutz ein breiter Grünstreifen in Richtung Parkstraße und Langer Rain erhalten bzw. neu gepflanzt werden.

Genau das ist auch im Bebauungsplan von damals festgehalten und kann heute noch eingesehen werden. Da es noch keinen aktuellen Bebauungsplan gibt, hat der alte weiterhin Gültigkeit.

Bitterwolfs Aufforderung, das Roden einzustellen, wurde zwar nachgekommen. Auch die Investorin Stefanie Krügel, Geschäftsführerin der Wilhelm Krügel Gesellschaft für Grundbesitz und Handel, forderte vor Ort das Ende der Arbeiten. Aber ein Großteil des Grüns ist bereits verloren. "Das tut mir weh", gesteht Bitterwolf, wenn er an die Vogelkonzerte früherer Jahre zwischen Sträuchern und Bäumen denkt.

Arno Pfeifenberger vom örtlichen Bund Naturschutz sieht in der Abholz-Aktion "einen klaren Rechtsverstoß". Denn die Genehmigung zum Roden wurde vom städtischen Bauamt unterzeichnet. Den Antrag hatte der Landschaftsplaner für das neue Wohnviertel gestellt und ihm war stattgegeben worden. Bitterwolf hakte deshalb im Steiner Bauamt nach: Zum einen habe die Stadt Stein keine Baumschutzverordnung, daher könne niemandem untersagt werden, ein Grundstück zu roden, hieß es. Außerdem erhielt er die Auskunft, die Bäume seien nicht wertvoll gewesen.

Letzteres Argument kennt auch Pfeifenberger nur zu gut aus diversen Diskussionen um Grün in Stein. "Wer kann schon sagen, was ein wertvoller Baum ist?", fragt er. Schließlich sei jedes Gehölz Lebensraum für diverse Tierarten und zudem Sauerstoffproduzent.

Einen Rechtsverstoß gegen den Bebauungsplan gebe es selbstverständlich nicht, sagt Steins Bürgermeister Kurt Krömer auf FN-Anfrage. Nach Rücksprache mit Bauamtsleiter Wolfgang Schaffrien erläutert er, dass in dem Plan von 1987 keineswegs ein Wäldchen mit einzelnen hervorgehobenen Bäumen eingezeichnet war, sondern lediglich ein Grünzug. Innerhalb eines solchen sei es möglich, zurückzuschneiden oder auch zu roden. Das städtische Bauamt habe sich vor der Genehmigung eigens bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts rückversichert, von dort seien keine Einwände gekommen. Im Übrigen sei auch im neuen Bebauungsplan wieder ein solcher Grünzug vorgesehen.

Was Anlieger Bitterwolf jedoch am meisten ärgert: Niemand hat mit den Nachbarn gesprochen. Man sei von der Aktion überrumpelt worden. Ein Gespräch im Vorfeld hätte manches einvernehmlich klären können. "Jetzt", beklagt er, "fehlt Schutz vor Lärm und Staub, wenn der Abriss beginnt." Besonders wichtig sei es deshalb nun, den Rest des Grüns zu erhalten und im neuen Bebauungsplan erneut eine Bepflanzung vorzusehen.

3 Kommentare