Stunde der Wahrheit

7.2.2012, 09:00 Uhr
Stunde der Wahrheit

© privat

Als dieser Tage die neue griechische Generalkonsulin in Bayern, Sofia Grammata, ihren Antrittsbesuch in den hiesigen Rathäusern machte, vermied sie es diplomatisch, das Thema Staatsverschuldung in den Mittelpunkt zu stellen. Anders die Deutsch-Griechische Gesellschaft Mittelfrankens mit dem früheren Cadolzburger SPD-Landtagsabgeordneten Heiko Schultz an der Spitze. Bei ihrer jüngsten Versammlung wurde jetzt Klartext geredet.

Stunde der Wahrheit

© Winckler

Gerade jetzt tue die Zusammenarbeit von Schulen, universitären Einrichtungen und Verwaltungen Not. Hiesige Betriebe sollten Stellen für die in der Regel gut ausgebildeten griechischen Jugendlichen bereitstellen, die in ihrer Heimat kaum noch Arbeit finden. Wichtig sei daneben das Fördern wirtschaftlicher und kultureller Kontakte und des Tourismus.

Einen Großteil der Schuld an der Finanzmisere gibt Schultz griechischen Politikern, die sich ihre Unterstützung großzügig erkauft hätten. So verschafften sie laut Schultz Sympathisanten reihenweise Anstellungen in Behörden und blähten damit die Verwaltungen gewaltig auf, ohne jedoch für einen effizienten Betrieb zu sorgen. Aktenberge statt Computer beherrschten heute das Bild in vielen Amtsstuben. Hier könne Amtshilfe im Rahmen der Städtepartnerschaft wie nach der Wiedervereinigung in Deutschland ansetzen.

Auch die Geldgeber Griechenlands stehen für Schultz in der Verantwortung. Hätten sie mit mangelnder Kontrolle das Desaster doch in Kauf genommen. Banken hätten der griechischen Bevölkerung mit billigen Krediten Luxusgüter wie teure Autos regelrecht aufgedrängt.

Haus verkauft

Das Haus auf der Insel Zakynthos, das sich der heute 71-jährige Schultz vor vielen Jahren als Altersruhesitz zugelegt hatte, hat er 2010 einem Nachbarn verkauft und ist heilfroh darüber. Denn die Zeiten der Sorglosigkeit sind vorbei. Korruption, Kriminalität und Bürokratie verdrängten zunehmend Sicherheit und Fröhlichkeit. Nur noch als Tourist lässt sich Schultz auf Griechenland ein.

Dagegen kommt für Vaios Fassoulas eine Rückkehr nach Deutschland trotz aller Probleme nicht mehr in Frage. 2006 ist der Cadolzburger Apollon-Wirt nach 36 Jahren in Deutschland zu seinen beiden Töchtern und vier Enkelkindern in seine alte Heimat zurückgekehrt. Im derzeit tief verschneiten Trikkala auf dem Peloponnes fühlt sich der 56-Jährige wie zwischen Hammer und Amboss. „Körperlich bin ich hier, aber geistig immer noch in Deutschland“, gesteht Fassoulas. Zufriedenheit ist etwas anderes.

Die als Staatsanwältin tätige Tochter muss aufgrund der aktuellen Sparmaßnahmen Einbußen von 1000 Euro im Monat verkraften und verdient mit 2000 Euro inzwischen weniger als ein Facharbeiter in Deutschland. Fassoulas weiß: „Das ist noch nicht das Ende der Abstriche.“

Deutschland ist für Fassoulas nicht frei von Schuld. Schließlich habe man es kommen sehen, dass Griechenland das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann. Fassoulas erinnert sich an ein Erlebnis mit der Deutschen Bank in Fürth, die ihm einen 4000-Euro-Kredit verweigerte, weil er noch 800 Euro offene Schulden hatte und sagt: „Wenn Deutschland dieselben Maßstäbe an den Schuldner Griechenland angelegt hätte, wäre es nicht so weit gekommen.“ Eine deutsche Kontrolle des griechischen Finanzwesens hält Fassoulas auch vor dem Hintergrund der deutschen Schuld aus dem Zweiten Weltkrieg für gefährlich: „Das führt nur zu Feindschaft.“

Für die Freundschaft zwischen Fürth und Xylokastro sieht der ehemalige Rektor des Schliemann-Gymnasiums und Vorsitzende des Freundeskreises der Städtepartnerschaft, Herbert Meyerhöfer, indes nicht schwarz. Seit sechs Jahren besteht die Partnerschaft mit der 25000-Einwohner-Kommune 40 Kilometer westlich von Korinth. Den Grundstein hatten Kontakte zwischen dem Schliemann-Gymnasium und dem Gymnasium in Xylokastro gelegt.

„Die Finanzkrise hat sich auf unsere Beziehungen noch nicht ausgewirkt“, sagt Meyerhöfer. Dabei verkennt er nicht die Notlage, in der sich viele Griechen befinden. So weiß er von einem Polizeibeamten, der nun statt 1500 Euro im Monat nur noch 500 bekommt, während seine in einer Krankenhaus-Apotheke angestellte Frau statt 800 nur noch 300 Euro beisteuert. Angesichts derart drastischer Einbußen ziehe es viele Stadtbewohner zurück aufs Land, wo sie noch Grundstücke besäßen, auf denen Familienmitglieder leben.

Die in Griechenland noch weitgehend intakte Großfamilie ist nach Meyerhöfers Erkenntnissen das Auffangbecken der Problembeladenen. Sie hilft auch über den von Schultz beklagten Mangel sozialer Einrichtungen hinweg. „Es geht sehr vielen Menschen sehr schlecht“, weiß der Freundeskreis-Sprecher und warnt vor allzu rigiden Sparmaßnahmen, mit denen die Wirtschaft abgewürgt werden könnte. Der Politik müsse klar sein, dass Europa etwas koste. An der Kontaktpflege wollen es die Fürther nicht mangeln lassen. Im März fahren Gymnasiasten des Schliemann-Gymnasiums wieder zum Schüleraustausch nach Xylokastro und Ende Oktober will der Freundeskreis erneut eine Bürgerreise organisieren.

0 Kommentare