Tauchgänge im Zeitstrom

29.6.2017, 18:00 Uhr
Tauchgänge im Zeitstrom

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die von Natur aus flüchtige Tonkunst ist wie keine andere geeignet, der Zeit Ausdruck zu verleihen. Buquet hat sich dazu raffinierte Instrumente anfertigen lassen: Eine Posaune mit zwei Schalltrichtern und ein Sousaphon mit Tuba-Schallstück. Damit kann er elektronische Effekte ebenso imitieren wie den Raumklang moderner Soundsysteme. Und das ohne Elektrizität, nur mit Luftstrom.

"Fluxus Temporis" (Strom der Zeit) haben er und Anja Wiebelt ihre Performance überschrieben. Ein kühner Versuch, das Unsichtbare mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Während Buquet in Tönen mit der Zeit spielt, sie ausdehnt, komprimiert und ihr eine räumliche Dimension verleiht, spinnt Wiebelt diese Steilvorlage mit Fäden weiter – ein schönes Bild.

Zum Höhepunkt der Performance liegt sie flach auf dem Rücken und lässt einen Faden durch Anblasen tanzen, der locker über einem zwischen zwei Stuhllehnen gespannten Gummiband hängt – während Buquet ihr Gebläse mit dem Sousaphon hörbar macht. Zur ersten Aufführung in der Auferstehungskirche konnte der Musiker auch die Kanzel und die für Aktionen zum Lutherjahr im Kirchenschiff platzierte Bühne nutzen.

Beiden Künstlern geht es um Grenzerfahrungen. Buquet um die extreme Erweiterung des Artikulationsspektrums, Wiebelt um die Belastbarkeit des Materials. Mit der Kettensäge höhlt sie so lange Baumstämme aus, bis ihre Wand löcherig wird. Aus Orgelpfeifen geschmolzenes Zinn gießt sie in Erdformen, wobei sich Erde und Metall vermischen. Das alles soll zur Kontemplation anregen, zum Ausbruch aus dem irrsinnigen Streben nach größtmöglicher Beschleunigung und Verdichtung des Alltags. In der Ruhe liegt die Kraft.

ZBehältnisse von Anja Wiebelt, Galerie in der Promenade, Hornschuchpromenade 17, Telefon (09 11) 70 66 60. info@galerie-in-der-promenade, bis 30. Juli

Verwandte Themen


Keine Kommentare