Traum vom besseren Leben

20.8.2018, 12:00 Uhr
 Traum vom besseren Leben

© Fotos: Dittmar

 Traum vom besseren Leben

Die Adaption der antiken Aussteiger-Farce Wolkenkuckucksheim von Aristophanes durch den großen Wiener Spötter Karl Kraus gehört seit vielen Jahren – in wechselnder Besetzung – zur Theaterspielzeit-Eröffnung in der Koffer. Sie lebt von der Magie des Ortes: ein aus der Zeit gefallener Fabrik-Hinterhof mit zerbrochenen Fensterscheiben, durch den in der Dämmerung die Fledermäuse schwirren. Geschickt nutzt Theaterchefin Brigitte Döring dies als Bühne und verlagert das Geschehen zum Teil in einen mächtigen Ahornbaum neben einem Schuppen.

Das Stück liegt ihr am Herzen. "Ich mag es, wenn Menschen sich erheben", verrät Döring. Auch wenn die damit dann so grandios Schiffbruch erleiden wie Ratefreund (sehr textsicher: Kalle Zuber) und Hoffegut (mimisch stark: Alex Werner). Der Bürokratie überdrüssig, wollen die beiden Phantasten im Vogelreich den Superstaat etablieren. Sie schaffen es auch, die Vögel von ihrem Plan zu überzeugen, heben dann aber völlig ab und legen sich in ihrer Hybris gar mit den Göttern ab, die sich das freilich nicht bieten lassen.

Skurrile Gestalten

Pointiert wird das Geschehen durch den Zulauf allerlei skurriler Gestalten, die vom neuen Staat Wolkenkuckucksheim angelockt werden: Eine Verlegerin, die das große Geschäft wittert, ein Nazi, der hier verwirklichen will, was unten auf der Erde nicht funktioniert hat, gleich zwei Dichter mit neuen Weltbildern im Gepäck, Architekten, die "jedes Nest in ein schwarz-weißes Kastl" verwandeln wollen, ein "Ornitosoph", der die Vögel als Maß aller Dinge ansieht und eine UN-Sekretärin, die vergeblich zum Maßhalten aufruft, denn Ratefreund und Hoffegut haben bereits jede Bodenhaftung verloren.

Mit irrem Aufwand haben sie um ihr Reich bereits eine 25 Meter hohe Mauer zum Schutz vor Eindringlingen errichten lassen. Tausende Vögel waren behilflich, was Ratefreund frohlocken lässt: "Gelöst ist die Frage der Arbeitslosigkeit". Genüsslich lassen sich die beiden komischen Vögel aus dem Menschheitsgeschlecht hofieren, kehren schmatzend aus der verlustreichen Götterschlacht zu den verhungernden Untertanen zurück.

Da kommt den Geknechteten das Telegramm des Auswärtigen Amtes wie gerufen, mit dem sie zu Auslieferung der beiden Steuerflüchtigen aufgefordert werden. Als Vogelscheuchen dürfen sie fortan auf der Erde ihr Talent beweisen. "Wir nähren uns vom Wahn und leben von der Luft", haben die Vögel schließlich erkannt.

Doch dahin war es ein mühsamer Weg. Davon zeugte im Endstadium des Krieges etwa die leidenschaftliche Debatte zwischen einem stumpfsinnige Durchhalteparolen predigenden Militaristen und einem Pazifisten, der erkannt hat, was den Vögeln bei weiterem Widerstand blüht.

Auf den Punkt gebracht

Karl Kraus hat viele immer noch drängende Fragen auf den Punkt gebracht – so auch die Wohnungsnot, die im Reich der Vögel unbekannt ist, weil hier "die Natur für den Mieterschutz sorgt". Dörings Kürzungen im dritten Akt, in dem Kraus auf die Weimarer Republik eingeht, erweisen sich nicht als Schaden.

Was die Inszenierung kurzweilig macht, ist das Ausnutzen der Gegebenheiten im Hinterhof. So antwortet die Göttin Isis aus einer Baumkrone weitab von der Bühne des Vogelreiches auf die Schmähreden Ratefreunds. Manches, was zur Stimmung der Inszenierung beiträgt, kann jedoch gar nicht geplant werden.

Etwa der Auftritt einer der zahlreichen Katzen der Kofferfabrik, die noch vor den Darstellern aus dem Vorhang hervortritt, dann aber schleunigst das Weite sucht, als die Eröffnungsmusik erklingt. Von dem Schäferhund, der als Nachzügler mit seinen Besitzern im Publikum Platz genommen hat, lässt sich das Tier später kaum beeindrucken. Und auch den Hund packt im Gegensatz zur stillen Fledermaus unter dem Sternenhimmel kein Jagdtrieb.

Den eigentlichen Darstellern fordert das Stück mit seinem Text in Reimform einiges ab. Angesichts der kurzen Probezeit und der wenigen Aufführungen ist das ein ambitioniertes Unternehmen. Über kleinere Hänger, die jedoch durchweg souverän gemeistert werden, kann man daher hinwegsehen. Sie werden schließlich wettgemacht von erfrischender Leidenschaft bei der Darstellung. Was da mit sparsamen Mitteln alles gezaubert wird, ist schon beeindruckend. Ein starkes Stück mit einer unüberhörbaren Friedensbotschaft.

ZWolkenkuckucksheim von Karl Kraus, im Hof der Kofferfabrik, Lange Straße 81, weitere Vorstellungen am 24., 25. und 26. August, jeweils 20.30 Uhr, 13 Euro, im Vorverkauf 10 Euro, Zeitungsabonnenten erhalten ZAC-Rabatt

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