Treffen mit den Frühchen in der Fürther Kinderklinik

2.12.2014, 21:00 Uhr
Treffen mit den Frühchen in der Fürther Kinderklinik

© Foto: Anestis Aslanidis

Kaffee und Kuchen stehen bereit, farbige Gemälde bringen etwas Stimmung in die nüchterne Atmosphäre des Klinikum-Bildungszentrums. Da kommen schon die ersten Eltern, vorneweg trippelt ein kleines Mädchen mit neugierig-verhaltenem Blick. Elke Sieber, die Leiterin des Bunten Kreises, beugt sich hernieder: „Hallo, kennst du mich noch?“ Nein, wie auch? Und die Kinderchen, die nun nach und nach eintreffen, erkennt Elke Sieber selbst nicht unbedingt. Wohl aber die Eltern. Denn all die Tage und Wochen zwischen Bangen, Hoffen und wachsender Zuversicht – die prägen sich ein.

Vierzig Wochen Schwangerschaft sind normal. Als Frühchen gelten alle Kinder, die vor der 37. Woche zur Welt kommen. Als extrem früh gelten Kinder vor der 28. Woche. Als Schwelle zur Überlebensfähigkeit gilt die 22. Schwangerschaftswoche.

„Von den rund 2000 Kindern, die in Fürth jährlich zur Welt kommen, gelten etwa sieben Prozent als Frühchen“, schätzt Jens Klinge, Chefarzt der Kinderstation. „Aber drei Viertel von diesen sieben Prozent bedürfen keiner Unterstützung, die sind bereits voll entwickelt und holen ihr Gewicht bald auf.“ So sieht es auch Elke Sieber: „Der Bunte Kreis kümmert sich seit sieben Jahren vor allem um Kinder unterhalb der 32. Schwangerschaftswoche und um Kinder, bei deren Geburt es Komplikationen gab.“ Pro Jahr sind das 50 Kinder.

„Das typische Frühchen gibt es gar nicht,“ betonen Elke Sieber und Jens Klinge unisono, „jedes ist ein individueller Fall.“ Je nachdem, welche Risikofaktoren die frühe Geburt auslösten (Infektionen, Zwillinge, vorzeitiger Blasensprung), je nachdem, wie weit der Entwicklungsstand ist und welche Komplikationen — von Verdauungsproblemen bis zur Hirnblutung — auftreten.

Mit dem Brutkasten und der Intensivbetreuung allein ist es nicht getan. Elke Sieber ist „Case Manager“, auf deutsch: Fallbetreuerin. Zusammen mit ihrer Kollegin Eva Dietsch kümmert sie sich um die Eltern in der Klinik und zu Hause und leitet sie an, wie man mit den Frühgeborenen umgeht. Allein schon das Berühren und in den Arm nehmen erfordert eine andere Grifftechnik als bei normal entwickelten Babys. Neid bei größeren Geschwistern hat sie nie beobachtet. Natürlich bekommen auch die erklärt, wie man mit dem Kleinen umgeht. Zwölf Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus dauert die Nachsorge; danach wird entschieden, ob die Betreuung verlängert werden muss.

Das Einzugsgebiet umfasst den gesamten Fürther Landkreis und darüber hinaus. „Wir fahren sogar bis nach Bad Windsheim“, sagt Eva Dietsch. Die Finanzierung des Bunten Kreises läuft über die Krankenkasse, wobei Fahrtkosten und -zeiten allerdings nicht bezahlt werden.

Manchmal bleibt der Kontakt zwischen den Familien und den Fallbetreuerinnen länger bestehen; stehen Ergotherapie, Logopädie oder Krankengymnastik an, vermitteln sie sogleich den Kontakt.

Inzwischen wuseln beim Treffen jede Menge Kleinkinder durch die Räume, lassen sich schminken oder spielen mit einem Clown, derweil die Eltern sich bei Getränken und Gebäck austauschen. Mit 170 Familien rechnet der Bunte Kreis an diesem Nachmittag. Doch trotz der großen Ansammlung geht es ungewöhnlich ruhig zu. Selbst die größeren Kinder flitzen und toben nicht herum, sondern verhalten sich eher abwartend und beobachten, was hier los ist.

Ein Eindruck, den auch Martina Berger, ehrenamtliche Mitarbeiterin und selbst Mutter eines Frühchens, teilt: „Diese Kinder sind anders. Sensibler. Sie beobachten mehr, sind unglaublich aufmerksam und sehr vorsichtig.“ Das merkt man, wenn das Mädchen am Schminktisch die „Maskenbildnerin“ Martina Berger mit diesem fragenden Blick anguckt: Was macht die Frau da jetzt mit mir?

Für Spenden: Stadtsparkasse Fürth, Konto-Nr. 250 100, BLZ 762 500 00 Stichwort: Sozialmedizinische Nachsorge

Keine Kommentare