Tritt frisch auf, reiß das Maul auf, hör bald auf!

17.9.2017, 06:00 Uhr
Tritt frisch auf, reiß das Maul auf, hör bald auf!

© Foto: Veranstalter

Es schäumt das Bier, es perlt der Wein, auf dem Grill schmurgeln Bratwurst und Steak einträchtig vor sich hin, und die Dorfkapelle intoniert "Lady in Black". So lässt sich das Altstadtfest gut an, auch wenn der Himmel gräulich dräut. Hier ist der Franke zufrieden. Was soll da eine Bußpredigt?

Doch die Fläche um das Backhaus vor dem Kloster ist dicht besetzt, niemand will das ernste Wort verpassen. Tatsächlich wollen die Dekane nicht als Spaßbremsen fungieren, sondern humorig ihren Schäfchen ins Gewissen reden. Würdevoll steht Dekan Schuster im hochgeschlossenen nachtschwarzen Lutherrock. Dekan Hermany hingegen präsentiert sich im Habit eines Augustinerchorherren: weißes Nachthemd, schwarzer Schulterumhang, rotes Samtkäppi und eine hölzerne Kette, die wie ein riesiger Rosenkranz wirkt. Das macht Sinn, schließlich war Luther ja Augustinermönch.

Und sinnlich-katholisch beginnt die Bußpredigt mit einem zünftigen Prosit an alle. Statt einer Abkanzelrede gestalten die Dekane ihre Predigt als einen frotzelnden Dialog zwischen den theologischen Fronten über Luther und das, was er uns heute noch zu sagen hat. Zum Beispiel der Predigtstil: "Tritt frisch auf, reiß das Maul auf, hör bald auf!", zitiert Schuster seinen geistigen Ahnherren.

Aus katholischer Sicht hat das Kirchenvolk natürlich auch einiges beizutragen, nämlich seine Sünden zu beichten. "Wann waren Sie das letzte Mal bei der Beichte?", fragt André Hermany einzelne Zuhörer. "Ich bin evangelisch", lautet eine Antwort, "vor vier Monaten" eine andere. Was aber gäbe es eigentlich groß zu beichten? Das erfahren wir nicht, da sei das Beichtgeheimnis vor. Deshalb fahren Schuster und Hermany auf die allgemeine Schiene zurück und spüren der Wurzel aller Sünde nach. "Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott", zitiert Schuster Luthers Seufzer — und recht hat er damit. Woran das Herze hängt, das kann Gott sein, aber auch alles mögliche andere: Prestige, Reichtum, Sicherheit, Arbeit, Hobby. All dies lenkt den Menschen ab von seinem Weg zu Gott hin. Der Weg dahin beginnt aber nicht bei Äußerlichkeiten, sondern im eigenen Inneren. So zitiert Hermany folgende Weisheit: "Wer bekommt, was er mag, ist erfolgreich. Wer mag, was er bekommt, ist glücklich."

Und was ist mit der Liebe, speziell zwischen Mann und Frau? "Frauen soll man loben, sei es wahr oder erlogen", zitiert Schuster seinen Luther. Hermany wiederum preist seine Haushälterin, weil die genau das und so viel einkaufe, was ihr Dekan brauche — und mehr nicht.

Einig sind sich beide Dekane in ihrer Ablehnung von (Alters)Armut, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegenüber anderen Religionen, so weit diese ebenfalls Menschlichkeit verkünden. Hermany nimmt damit kein Blatt vor den Mund und warnt ausdrücklich vor der AfD.

Zum Abschluss beschenken sich die beiden Dekane in ökumenischer Eintracht. Hermany überreicht Schuster warme Luthersocken mit dem sinnigen Aufdruck "Hier stehe ich, ich kann nicht anders", Schuster bedenkt seinen Kollegen mit einer bauchigen Flasche Lutherlikör zwecks spiritueller Erleuchtung und einem Büchlein mit Lutherzitaten.

Und was bleibt von der Bußpredigt am stärksten in Erinnerung? André Hermanys Freirunde über 300 Euro für durstige Sünder sowie das prägnanteste Zitat des großen Reformators: "Aus einem verzagten Arsche dringt kein fröhlicher Furz!"

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