Unterwegs mit einem Wünschelrutengänger

29.8.2016, 13:00 Uhr
Unterwegs mit einem Wünschelrutengänger

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Vorsichtig holt Josef Stodolka die längliche Kiste aus grauem Pappkarton aus der Eckbank und legt sie behutsam auf den Küchentisch. Fast bedächtig nimmt er den schon leicht vergilbten und abgegriffenen Deckel ab und zeigt stolz seine „Schätze“: Einhand-, Winkel- und Wünschelruten in verschiedenen Stärken. „Ich mag lieber die kräftigeren“, erklärt er, „bei den kleinen reagiere ich mittlerweile zu feinfühlig.“ Denn die Schwingungen nehme er über das Nervensystem auf, die Rute „ist nur ein Zeiger“.

Unterwegs mit einem Wünschelrutengänger

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Stodolka greift hinein und holt einen Biotensor heraus, einen silbernen, biegsamen Stab mit einem flachen Kupferring am Ende. „Damit kann ich feststellen, ob jemand ein bestimmtes Nahrungsmittel oder Medikament verträgt“, behauptet er. Kurzerhand stellen Fotograf und Autorin sich als Versuchskaninchen zur Verfügung. Und tatsächlich: Bei beiden liegt Stodolka zumindest mit den jeweiligen Vorlieben für Weintrauben und Bananen richtig.

Seine „Königsdisziplin“ aber ist das Wünschelrutengehen. Auf einem nahen Feld will der 82-Jährige nach Wasser suchen. Zuvor führt er ein paar „Trockenübungen“ in seiner Küche vor. Er nimmt zwei Winkelruten, in jede Hand eine, konzentriert sich und durchschreitet den Raum. Tatsächlich drehen sich die Stangen, beide in die gleiche Richtung. „Mit der Wünschelrute gehe ich durch Häuser, und wenn sie ausschlägt, markiere ich das mit einem Legostein – am Ende ist dann der Verlauf der Wasserader zu sehen“, erklärt er. Anschließend findet er mit der Winkelrute heraus, ob es sich um ein stehendes oder fließendes Gewässer handelt. Eines sei dabei ganz wichtig: „Wenn Sie Wasser suchen, dürfen Sie natürlich nicht an ein Stück Wurst denken!“

Jetzt geht´s nach draußen. Im Gehen erzählt Stodolka aus seinem bewegten Leben. Wie er beispielsweise mit der Mutter 1945 aus Schlesien fliehen musste, als Zwölfjähriger. Wie er den Nazis und Auschwitz entkam, auch amerikanischen Bombern: „Die Kugeln sind neben mir eingeschlagen“, berichtet er, und mit einer Geste beschreibt er, wie nahe er dem Tod war. „Ich bin einfach ein Glückskind“, sagt Stodolka mit der Erfahrung von 82 Lebensjahren und voller Dankbarkeit.

Er habe schon immer den Armen helfen wollen, Gerechtigkeit sei ihm immer wichtig gewesen, überlegt er. Daher wohl auch seine zahlreichen Ehrenämter, die er neben seinem Beruf als Schriftsetzer und seiner späteren Tätigkeit als Druckereileiter bekleidet hat: acht Jahre im Ortsrat, zehn als Gebrechlichkeitspfleger im „Hupferla“ in Erlangen, 22 Jahre Fußball-Schiedsrichter, mehr als 65 Jahre bei der Cadolzburger SPD.

Doch wie wird man nun zum Wünschelrutengänger? Die Kurzversion: Bei jemandem gesehen, selbst ausprobiert und dann hängen geblieben. „Ich habe sofort gespürt, dass ich da eine Neigung dafür habe.“

Er habe dann einen Kurs besucht, in dem die Grundlagen vermittelt wurden. „Am Ende des Seminars“, blickt er nicht ohne Stolz zurück, „war ich derjenige, den der Leiter um Rat gefragt hat.“ Gut 60 Jahre ist das nun her. 60 Jahre, in denen er Kurse und Seminare gegeben, Fortbildungen und Vorträge gehalten hat und unzählige Male um Rat gefragt worden ist.

„Werbung musste ich nie machen, das ging alles über Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Stodolka berichtet von brüllenden Säuglingen, die damit aufhörten, nachdem er mit seiner Wünschelrute eine Wasserader entdeckt und das Kinderbettchen einfach in eine andere Ecke des Zimmers gestellt hatte. Von einem Schweinezüchter, dessen Tiere in zwei Boxen abgemagert waren, weil sie nichts mehr fraßen. Der Landwirt glaubte zwar nicht an Stodolkas Künste, stellte die Schweine aber trotzdem um — und staunte, als sich diese in den anderen Boxen erholten. „Ich kann Ihnen Geschichten erzählen, ich habe so viel erlebt, da sitzen wir morgen Abend noch da“, sagt der Wachendorfer lachend und man glaubt ihm sofort.

„Wer heilt, hat Recht“

Doch nun zur Praxis. Am Grundstück angelangt, nimmt er die y-förmige Wünschelrute aus Silberstahl von unten an den beiden Griffen, hält die Stäbe leicht unter Spannung und läuft los. Nach einigen Metern beginnt sich die Rute tatsächlich wie von Geisterhand in Laufrichtung zu drehen. Wasser. Kann das sein? Hilft er wirklich nicht nach? Die Enden der Silberstahlstangen liegen lose in den Griffen, auf sie Einfluss zu nehmen, wäre schwierig und in jedem Fall zu sehen. Ob tatsächlich eine Wasserader hier verläuft? Überprüfbar ist das freilich erst, wenn das Grundstück erschlossen wird.

„Ich bin keinem böse, der nicht daran glaubt“, sagt Stodolka, und fügt mit einem spitzbübischen Lächeln hinzu: „Aber wer heilt, hat Recht.“ Das sieht mittlerweile auch seine Frau ein. „Aber da musste ich schon auch Überzeugungsarbeit leisten“, gibt er zu. Aufgrund seines Alters ist er heute nicht mehr in Vereinen aktiv und auch beim Wünschelrutengehen ist er kürzer getreten. So ganz ohne Pendel und Rute geht es aber nicht: „Im Urlaub habe ich immer eine kleine Rute in der Tasche. Und auf Anfrage helfe ich schon mal.“ Spricht´s und packt seine „Schätze“ zurück in die vergilbte, graue Kartonage. Für heute.

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