Verborgen im Gefühl

13.7.2014, 12:00 Uhr
Verborgen im Gefühl

© Thomas Scherer

Hinter jedem Bild, jeder Skulptur steht ein Erlebnis. Hier hat Ruth Wittmann ihre glücklich verliebte Tochter mit ihrem Freund skizziert, dort die andere, schwangere Tochter modelliert. Da aber ging es dem Mädchen nicht gut, sie hatte Magersucht, die Skulptur ist tatsächlich sehr dünn und knochig.

Dann die furiose Keramikskulptur, die dem Andenken an die verstorbene Schwester gewidmet ist – ganz zart und zerbrechlich, schief, scheinbar aus dem Gleichgewicht geraten. Und dennoch steht das Gebilde auf geheimnisvolle Art, irgendwie funktioniert die Statik, vielleicht gehalten von der baumartigen Struktur hinter der Frauenfigur.

Das Besondere jedoch, das die Qualität der Arbeiten verdeutlicht, liegt darin, dass Ruth Wittmann, die in Henfenfeld lebt, Allgemeingültiges geschaffen hat. Man versteht die Intention dieser Werke auch, ohne den Hintergrund zu kennen. Zudem ist die technische Umsetzung hochklassig, besonders bei den Skulpturen.

Kleine Szenen

Wie es gelingen kann, solche Wesen zu töpfern, bleibt ihr Geheimnis. Fast schon sind es kleine Szenen, teils geht Wittmann in Richtung MiniInstallation. Diese Menschen sind kein Abbild der Natur, sondern Ergebnis fantasievoller Abstraktion. Teils bizarre Körperformen, ungewöhnliche Proportionen, halb ausgearbeitete Gesichtszüge verwandeln die Protagonisten in Archetypen. Ihre einzigartige Struktur erhalten die Skulpturen durch Oberflächenbearbeitungen und Bemalungen.

Weil Wittmann auch gerne Menschen beobachtet, sei es in der Kneipe oder auf der Straße, hat sie diverse Szenen aus dem Alltagsleben festgehalten, die ihr gefielen: zwei Freundinnen beim Plausch, ein flirtendes Liebespaar, eine Frau auf einer Mainbrücke. Oder die Natur, die sie abstrakt und rein nach ihrem Gefühl wiedergibt. Hier steht die Linie im Vordergrund, als Spannungsfeld, aber auch als Möglichkeit, in der Spur zu bleiben oder lieber verschlungene Pfade einzuschlagen.

Ausdrucksstark und eigenwillig hat Wittmann diese Linien angelegt, wobei immer ihr Thema des Gleichgewichts und des Statikverlustes zum Tragen kommt. Für den Betrachter ist es faszinierend, dem Weg von der Zweidimensionalität der Bilder in die Dreidimensionalität der Skulpturen zu folgen. Während erstere oft schnell mit viel zeichnerischem Talent skizziert wurden, braucht die Künstlerin für letztere jede Menge Zeit.

So erzählen die Standbilder die Geschichten der Zeichnungen weiter, ergänzen sie um wichtige Details. Dabei wirkt manches so zierlich und fragil wie Ruth Wittmann selbst. Und dennoch: Alles bleibt letztlich im Lot. Respekt.

„Verborgen im Gefühl“: Kunstraum Rosenstraße (Rosenstraße 12/Rückgebäude). Donnerstags bis samstags 14-18 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel. 73 48 10. Bis 30. August.

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