Viele Mittelschüler verlängern ihre Schulzeit

26.11.2015, 11:00 Uhr
Viele Mittelschüler verlängern ihre Schulzeit

© Archivfoto: Harald Sippel

Bis ins Jahr 2008 reichen die Daten des städtischen Projektbüros für Schule und Bildung zurück. Mittelschulen hießen damals noch Hauptschulen, für Abschlussjahrgänge war es eine schwierige Zeit.

Fast die Hälfte der Neuntklässler in Fürth fand keine Lehrstelle und landete in Ersatz-Maßnahmen. Wer im Berufsgrundbildungsjahr war, konnte es immerhin als erstes Lehrjahr angerechnet bekommen. Die meisten der Schüler ohne Ausbildungsplatz aber steckten in Berufsvorbereitungsjahren, jene mit den schlechtesten Aussichten in der sogenannten Jungarbeiterklasse (heute JoA-Klasse), wo sie drei Jahre lang einen halben Tag pro Woche Unterricht hatten.

Die Situation hat sich deutlich verbessert. Heute geht es nur für ein Viertel der Mittelschüler zunächst in Berufsvorbereitungsmaßnahmen und JoA-Klassen weiter. Die Chancen für die Jugendlichen haben sich insgesamt sehr erfreulich entwickelt, sagt Veit Bronnenmeyer, der das Projektbüro leitet.

Die Bereitschaft der Betriebe, auszubilden, ist angesichts des drohenden Fachkräftemangels – Stichwort: demografischer Wandel – spürbar gewachsen. Von den 363 Neuntklässlern der Fürther Mittelschulen im vergangenen Schuljahr haben 100 sicher einen Ausbildungsplatz. 37 Prozent von ihnen half das Projekt „Punktlandung Ausbildung“ des Projektbüros, die passende Stelle zu finden.

Mit gemischten Gefühlen sieht Bronnenmeyer eine „Gegenentwicklung“, die den Betrieben zusetzt. Er spricht von der „Flucht in die Schulbank“: „Viele der Jugendlichen würden am liebsten auf der Schule bleiben. Der Bereich wächst ständig.“ Fast die Hälfte des Abschlussjahrgangs 2015 entschied sich, auch weiter die Schulbank zu drücken (2008 waren es noch 30 Prozent): Die einen wiederholen die Klasse, um im neuen Anlauf den Qualifizierenden Abschluss zu schaffen. Die anderen versuchen ihr Glück in weiterführenden Klassen (M-Zweig, 9+2-Klassen) oder Schulen wie der Fachoberschule.

Beides ist nachvollziehbar: Da ist der Wunsch, einen möglichst hohen Abschluss zu machen, weil das vermeintlich bessere Perspektiven verspricht. Und da ist das Alter der Schüler: Mit 16 Jahren kann die Frage, welchen beruflichen Weg man einschlägt, mächtig einschüchtern. „Ich würde sofort ein zehntes Schuljahr einführen“, sagt Bronnenmeyer denn auch. Im jetzigen System aber sei die Entscheidung, länger zur Schule zu gehen, nicht für jeden die richtige. „Wer nur Einser und Zweier hat, soll das machen.“

Doch immer mehr Schüler nutzen die Möglichkeit, die mit der Mittelschulreform eingeführt wurde, über die M-Klasse oder beim 9+2-Modell über zwei zusätzliche Schuljahre zum Mittleren Abschluss zu kommen. Den höheren Abschluss vor Augen zu haben, kann motivierend sein, meint Bronnenmeyer – aber auch ein Irrweg: Die Zugangsvoraussetzungen sind inzwischen recht niedrig. Wer sich durch die zusätzlichen Jahre quält und einen mittelmäßigen Abschluss erreicht, hat im Vergleich zum Quali nichts gewonnen, fürchtet er.

Auch die FOS entpuppt sich für viele als Sackgasse: Etwa 50 Prozent der Mittelschüler scheitern hier, so der Experte. Besser wäre für sie der umgekehrte Weg, meint er: in die Ausbildung und danach vielleicht noch mal in die Schule. Mit der Lehre verbaut man sich nichts, im Gegenteil: „Viele der Jugendlichen tun sich mit dem Lernen schwer“, gibt Bronnenmeyer zu bedenken, „auch weil sie nicht den leisesten Schimmer haben, wofür der Stoff gut sein soll. In der dualen Ausbildung lernt man anders – man kapiert eher, warum etwas wichtig ist. Das kommt vielen entgegen.“

Der Leiter des Projektbüros bedauert, dass das Unterstützungsangebot für Jugendliche, die große Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche haben, zurückgefahren wurde. Das Projekt „Kompetenzagentur“ werde schmerzlich vermisst.

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