Vier ältere Herren lassen es noch mal richtig krachen

4.12.2016, 16:00 Uhr
Vier ältere Herren lassen es noch mal richtig krachen

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

In aller Bescheidenheit nennen sie sich selbst gerne „die größte Rockband der Welt“. Aber wahrscheinlich haben die vier Mitsiebziger sogar recht: Die „Rolling Stones“ gaben 1962 ihr erstes Konzert. Kein Wunder also, dass es sich heute anfühlt, als seien sie schon immer da gewesen. Erstaunlicher ist vielleicht, dass sie noch da sind. „Die sind so agil, so knochig und hupfen so locker umeinander, das find’ ich genial“, sagt Gabriela Dorner (52), die von Beruf Krankenschwester ist.

Doch genau wie ihre Schwester Monika Schröter (51) zählte sie noch nie zu den Fans der Band. Beide schütteln den Kopf: „Nö, die haben wir uns nie angehört.“ Gabriela Dorner erinnert sich: „In unserer Jugend gab es zum Beispiel die Bay City Rollers.“ Trotzdem zollen beide den unermüdlichen Stones Respekt: „Toll, dass die weitermachen. Schließlich haben die ja nicht immer ganz gesund gelebt.“ Kann man sicher so sagen.

Auch Anke Lienert erweist den Rock-Dinos die Ehre. Für die 48-jährige Altenpflegerin sind Mick Jagger und Kollegen nämlich „einfach ein Stück Geschichte“. Sie ist sich sicher: „Die gehören zu unserer Kultur.“ Kaufen wird sie das neue Album nicht: „Ich mag den ,Neue deutsche Härte‘-Stil, dazu zählt etwa Rammstein.“ Grundsätzlich pflegt sie aber eine große musikalische Bandbreite: „Durch meinen Beruf höre ich oft echte Volksmusik, das hat was.“

Die dienstältesten Charts-Abräumer der Welt mögen auf so manchen zwar wie Fossile wirken, doch auf ihrem neuen Album haben sie gezeigt, wie feinster Blues klingen kann. Brian Berry hat einen anderen Geschmack: „Ich hör’ HipHop und R ’n’ B, mit der Musik der Stones hab’ ich nichts zu tun.“ Der 28-Jährige kann sich allerdings gut daran erinnern, dass früher bei seinen Eltern die Stimme von Mick Jagger aus dem Radio kam. Berrys Sohn ist jetzt zweieinhalb Jahre alt und hört sich manchmal mit an, was sein Vater mag. Aber: „Durch die Oma kennt er Schlager und alles, worauf man Foxtrott tanzen kann. Das gefällt ihm meist besser.“ Kein Problem für Brian Berry: „Natürlich kann er von mir aus auch später mal hören, was ihm gefällt.“

Engagierte Super-Combo

Und dann kommt Henry Weidner, und er hat sie tatsächlich gerade erstanden: Die frische CD der Stones. Der 62-Jährige verstaut das gute Stück, dessen Cover wieder die legendäre Zunge ziert, sorgfältig: „Ich hab’ mir schon überlegt, ob ich die wegen des Kommerz überhaupt kaufe. Die Jungs haben schließlich genug Geld.“ Den Ausschlag gab das Engagement der Bandmitglieder: „Genau wie U 2 machen die bei vielen guten sozialen Projekten mit.“

Weidner, der aus Berlin stammt, ist so etwas wie ein Fan der ersten Stunde. „1968 hab’ ich die Stones bei meinem Onkel zum ersten Mal gehört.“ Unvergesslich aus jenen frühen Jahren ist für ihn ein Song, der als einer der genialsten der Gruppe gilt: „Das war Gimme Shelter.“ Seither begleitet ihn der Sound der Super-Combo, und wenn er sich entscheiden soll, welches Lied für ihn das prägendste war, dann kann es nur eine Antwort geben: „Angie.“

Dass sich die Stones elf Jahre nach ihrer letzten Studio-Einspielung jetzt wieder aufgerafft haben, findet er beeindruckend: „Dazu gehört bei aller Dekadenz auch Willenskraft, nötig hat’s ja keiner mehr von denen.“ Interessiert hat ihn die Aufnahme auf jeden Fall: „Sie sind back to the roots, okay. Aber wenn sie Techno gespielt hätten, würde ich jetzt auch nicht weinen.“ Henry Weidner macht sich auf den Weg. Er will „Blue & Lonesome“ endlich hören und weiß: „Könnte gut sein, dass das ein bisschen lauter wird.“

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