Vom Klischee befreit

6.12.2016, 18:00 Uhr
Vom Klischee befreit

© Foto: Markus Kohler

Jazz an Weihnachten? Da denkt der Purist an amerikanische Weihnachtsshowgesänge, die für europäische Ohren sowieso lässig-salopp mit den heiligsten Dingen umgehen. Da assoziiert man feiste Putten mit coolen Sonnenbrillen, verschnupfte Rentiere und Santa Claus mit Saxophon.

Nichts davon in Obermichelbachs prall gefüllter Kirche. Denn Veronika Zunhammer, die unüberhörbar aus dem Chiemgau stammt, hat sich die alten deutschen Weihnachtslieder vorgenommen und ins Jazz-Idiom übertragen. Wie das wirkt? Die „Fröhliche Weihnacht überall“ büßt ihre altvertraute Leutseligkeit ein, dafür klingt die Jazzvariante eher wie eine Verführung zum Fröhlichsein, wie ein Angebot, die herbstliche Dumpfmuffigkeit abzulegen und es mal mit einem Lächeln zu versuchen.

Auch Josef von Eichendorffs Weihnachtsgedicht, in dem der Erzähler die Mauern der Stadt verlässt und durch die verschneiten Fluren stapft, gewinnt ungemein an Charme. Dazwischen baut Veronika Zunhammer auch eigene Songs ein. In „Kinderaugen“ beschwört sie die Sehnsucht der Erwachsenen, Weihnachten wieder mit dem verlorengegangenen kindlichen Staunen zu erleben. Und in „Dieses Jahr ohne dich“ beschreibt sie den Blues am Heiligabend, das erste Weihnachten nach der Trennung vom Geliebten, die Einsamkeit inmitten der allgemeinen Freude.

Wohlige Wärme

Solche Lieder verlangen nach Intimität, und die liefern die Begleitmusiker Sebastian Wolfgruber mit sehr dezent eingesetztem Schlagzeug und Henning Sieverts am wohlige Wärme verströmenden Kontrabass. Doch vor allem Christian Elsässer am Piano unterstützt und umspielt Veronika Zunhammers ausdrucksstarken nuancenreichen Gesang.

Den Höhepunkt des Abends markiert denn auch ein Text, der bislang nicht gerade als Weihnachtslied aufgefallen ist. Es ist Rainer Maria Rilkes „Advent“-Gedicht, dessen Zauber die junge Sängerin nachspürt, unterlegt von hypnotischen Klaviermustern, die sich zu einem ausgedehnten Instrumental erweitern, bis schließlich ein Schneesturm akustisch durch die Kirche fegt.

Und allerspätestens bei „Es wird scho glei dumpa“ zerschmelzen die Herzen der Zuhörer vor Rührung. Gerade das Zusammenspiel dieser unverwüstlichen Melodie mit jazzigen Begleitpatterns, die Begegnung von herzig naivem Dialekt mit der Suggestion verrauchter Jazzkeller befördert eine ganz spezifisch weihnachtliche Innigkeit.

 

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