Vor zehn Jahren verlor Fürth seinen Sprungturm

29.8.2015, 16:00 Uhr
Vor zehn Jahren verlor Fürth seinen Sprungturm

Im September 2005 radierten schwere Maschinen den Sprungturm Plattform für Plattform aus dem Luftraum über den Wasserbecken am Scherbsgraben. Als das Freibad damals saniert werden musste, führten betriebswirtschaftliche Kalkulationen zum Todesurteil für die steile Heldenbühne. Allein das besonders tiefe Sprungbecken, hieß es, verschlinge pro Saison annähernd die Hälfte der rund 50 000 Euro Heizkosten. Im letzten Moment formierte sich zwar Widerstand: Unterschriften wurden gesammelt, Transparente mit Sprüchen wie „Auf dem Sprungturm ist man Gott näher“ am Zehner entrollt. . . Doch all das half nichts, Ende September 2005 war der „Zehner“ weg.

 

Vor zehn Jahren verlor Fürth seinen Sprungturm

Für eine letzte Berichterstattung wagte kurz zuvor unser früherer Sportredakteur Kurt Heidingsfelder einen Sprung. Wie das war, las sich damals so:

Der Weg nach oben führt über Stufen aus Beton und Edelstahl. Die Schildchen mit der Aufschrift »Gesperrt« sind zur Seite geräumt. Ab dem »Fünfer« wird es ernst, jeder Tritt eine Überwindung. Der »Siebeneinhalber« ist so etwas wie die letzte Warnung. Vorbei. 44, 45 . . . nach Stufe 46 ist Schluss, dann kommt der Himmel. Ein Zurück gibt es nicht. Das ist auf dem »Zehner« ein ungeschriebenes Gesetz.

Auf Augenhöhe sind jetzt nur noch die Blätter mächtiger Pappeln, in der Ferne toben Kinder auf einem Trampolin, daneben liegen Menschen auf Handtüchern wie farbige Tupfer in der grünen Wiese. Die rechte Hand sucht das Geländer, der Blick wandert nach unten.

Das Wasser sieht von hier oben aus wie ein glitzerndes Nichts. Keine Spur mehr von dem sonst so freundlichen Blau. Freie Sicht auf weiße Fliesen. 14 Meter und 80 Zentimeter sind es alles in allem, sie wirken endlos.

So ging es in früheren Zeiten am Sprungturm zu.

So ging es in früheren Zeiten am Sprungturm zu.

Ein tiefer Atemzug. Die Luft hat kaum Platz in der engen Brust. Der Boden schwingt. Noch ein Atemzug. Schwingt der Boden nicht schon seit fast 50 Jahren? Und die Luft. Wird sie reichen? Bis zum Auftauchen?

Hechtsprung? Besser nicht. Nur fallen lassen. Dem Glitzern entgegen, schwerelos. Die Fliesen rasen heran.

Das Wasser trifft den Körper wie ein Peitschenhieb. Schmerz durchzuckt Arme, Gesäß, Rücken. Die Haut brennt. Trotzdem fühlt sich das Eintauchen wunderbar an, wie eine Umarmung, aus der man sich nicht wieder lösen möchte.

Vor zehn Jahren verlor Fürth seinen Sprungturm

Zurück im Hier und Jetzt: Am Montag, 31. August, endet im Fürther Freibad offiziell die aktuelle Saison. Am Dienstag, 1. September, dem Tag, an dem das Hallenbad seine Pforten wieder öffnet, macht das Freibad aber auch noch einmal auf: Bei freiem Eintritt dürfen die Fürther dann heuer ein letztes Mal unter freiem Himmel schwimmen, plantschen und — wenn auch nicht vom „Zehner“ — ins Wasser springen. Die Badbetreiber bedanken sich damit „für die schöne Saison“.

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