Vorbei an Wetzrinnen und Bierkellern in Langenzenn

27.10.2014, 13:00 Uhr
Vorbei an Wetzrinnen und Bierkellern in Langenzenn

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So grübelten die Spaziergänger gemeinsam über Vertiefungen unterhalb des Kirchenfensters, die sich auch mit einem früheren Eingang nicht erklären ließen. Erst der Hobbyhistoriker Sellner verriet, dass es sich um sogenannte Wetzrinnen handelt. Sie wurden mit einem Material gefüllt, dass man an ihnen unzählige Osterfeuer entzünden konnte. Vor dem inneren Auge der Zuhörer entstanden bei der Schilderung plötzlich lebendige Bilder. Und mancher wird sicherlich zukünftig nach weiteren Wetzrinnen Ausschau halten, die es auch an anderen Kirchenfenstern gibt.

Vorbei an Wetzrinnen und Bierkellern in Langenzenn

© Foto: Jutta Pscherer

Das Phänomen trat wahrend des Rundgangs, der am Ende verblüffende drei Stunden gedauert haben wird, mehrfach auf. So wird man angesichts großer Steinkreuze am Wegesrand vielleicht an die Langenzenner Sühnekreuze denken, die im Mittelalter Blutfehden beendeten. Oder man sucht auf einem Marktplatz unwillkürlich nach dem obligatorischen Brunnen, von dem heute am Oberen Markt aber nur noch ein Kanaldeckel übrig blieb. Und auch die kleinen Nachtwächtertürchen, deren Stechuhren der Kontrolle dienten, bleiben in Erinnerung.

Gemeinsam mit den ortsansässigen Teilnehmern lässt Kurt Sellner die jüngere Vergangenheit Langenzenns lebendig werden. Oft reicht ihm ein Stichwort und die kollektiven Erinnerungen sprudeln, etwa an die schuhlosen Sommer der Kindheit, an das alte Flussbad oder die Flaniermeile, an frühere Läden mit legendären Waren oder der „wichtigsten Frau Langenzenns“, die als Hebamme wohl rund die Hälfte aller heutigen Bewohner zur Welt gebracht haben dürfte.

Gemeinsam entsinnt man sich der wenigen verbliebenen Hopfensträucher, die an eine langjährige Anbautradition erinnern, die der Konkurrenz des Spalter Hopfens und einer Pflanzenkrankheit zum Opfer fiel.

Mit zahlreichen Fotos und Abbildungen veranschaulicht Kurt Sellner aber auch weiter zurückliegende Zeiten. So lernen die Teilnehmer, dass die NS-Zeit dem Ort gleich drei Lager bescherte: neben einem Arbeitserziehungslager (AEL) und dem Reichsarbeitsdienst (RAD) wurden im April/ Mai 1945 sechs Wochen lang rund 100 000 Gefangene hier bei Wind und Wetter interniert, bis der Ausbruch der Ruhr für die Auflösung sorgte. Zurück blieben zahlreiche Verpflegungsbüchsen der Amerikaner, die in den später angelegten Garten beim Umgraben jahrelang wieder zum Vorschein kamen.

In der Kolbschlucht weist Kurt Sellner auf einen der mühevoll geschlagenen Gänge mit Bierkellern hin und erläutert, weshalb die hartnäckige Legende vom Gang nach Cadolzburg aufgrund geologischer Gegebenheiten bewiesenermaßen nicht stimmen kann.

Aber auch aktuelle Forschungen werden vorgestellt. So freut sich der Heimatverein über die Entdeckung einer Mikwe – eines jüdischen Badehauses – bei der früheren Synagoge und wartet auf den Baubeginn an der alten Mühle, um das Schlagjahr der freigelegten Grundbalken bestimmen zu lassen.

Den Abschluss des Rundgangs bildet der Lindenturm, der in seinem Fundament neben dem Heimatmuseum zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehört. Er diente als Wachturm und später dem Nachtwächter als Wohnung. Entsprechend hat der Heimatverein ihn mit liebevoll zusammengetragenen Utensilien ausgestattet.

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