Fürther zum Fall Maaßen: "Dilettantismus" und "Skandal"

21.9.2018, 16:00 Uhr
Fürther zum Fall Maaßen:

© Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Oberbürgermeister

Ja, das Thema treibt die Menschen um. Oberbürgermeister Thomas Jung hat bereits mit unserem Anruf gerechnet. Er zeigt sich regelrecht erschrocken über die Vorgänge in Berlin. "Die SPD hätte diese Beförderung niemals akzeptieren sollen!", kritisiert er seine eigene Partei.

Der Rathauschef findet: Stattdessen hätte man von vorneherein klar und deutlich kommunizieren sollen, dass der Vorschlag, Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium zu machen, nachdem er als Verfassungsschutzpräsident untragbar schien, nicht akzeptabel ist. "So einen Dilettantismus habe ich bei den Leuten, die unser Land führen, nicht erwartet."

Fürchtet er jetzt, dass die Politikverdrossenheit der Bürger zunimmt? Die Vorgänge rund um Maaßen führen uns dorthin, sagt Jung. Und das sei ja auch kein Wunder. "Jemand baut offensichtlich Mist und kommt damit nicht nur durch, sondern wird sogar noch dafür befördert, also quasi belohnt! Da erstaunt es doch keinen mehr, dass das für Empörung sorgt." Oder dass die Leute das Vertrauen in die Politik verlieren.

Der Dekan

Die Gelegenheit, in der Sache Klartext zu sprechen, lässt sich Fürths katholischer Dekan André Hermany nicht entgehen: "Dieser Vorgang ist ein Skandal. Maaßens Beförderung ist eine Ohrfeige für alle Bürger, die für weit weniger Geld jeden Tag ihre Pflicht erfüllen!" Auf Facebook machte er seinem Ärger noch am Abend der Bekanntgabe Luft.

Dass Maaßen in keinster Weise für seine Verfehlungen zur Verantwortung gezogen wird, liefere jetzt ein völlig falsches Signal für die Jugend: "Die Botschaft, die damit gesendet wird, lautet doch: Bau Mist, und du wirst befördert."

Darüber hinaus stellt er auch ganz offen die Frage nach der Ehre: Wieso hat Maaßen nicht so viel Anstand bewiesen und trat zurück? "Und dieser 55-jährige Staatssekretär, der dafür jetzt in den Ruhestand geschickt wird, muss sich doch vorkommen wie ein Bauernopfer."

Hermany denkt bei dieser Angelegenheit viel an den SPD-Mann Gunther Adler, der nun von Maaßen abgelöst wird. Denn er selbst ist zwar nicht mehr 55, sondern schon 61, fragt sich aber trotzdem, wie er sich an dessen Stelle fühlen würde.

Der CSU-Direktkandidat

Er weiß, dass Horst Seehofer durch die Beförderung Maaßens seine Partei einmal mehr zur Zielscheibe von harscher Kritik gemacht hat. Dennoch geht Thomas Zehmeister, Vorsitzender der Großhabersdorfer CSU und Direktkandidat für den Bezirkstag, nicht davon aus, dass Seehofers Kompromiss Einfluss auf die Landtagswahl hat. "Den Menschen hier geht es um Bayern, nicht um Berlin."

Trotzdem: Unverständnis angesichts der Personalentscheidung nimmt er schon wahr "bei uns Normalbürgern". Allerdings gibt Zehmeister zu bedenken, dass Maaßen ein Fachmann beim Thema Innere Sicherheit ist. Ihn zu vollen Bezügen in den Ruhestand zu schicken, wäre deswegen falsch.

Seine Äußerung zu den Vorfällen in Chemnitz sei zu stark politisch gewesen, vor allem für einen Leiter einer Bundesbehörde. Aber sein Wissen und seine Erfahrung seien wertvoll und würden dem Staat fehlen. "Trotzdem hoffe ich natürlich, dass der SPD-Staatssekretär, der Maaßen weichen musste, noch sinnvoll an anderer Stelle eingesetzt werden kann."

Die Personalreferentin

Mit kühlem Kopf betrachtet Fürths Personalreferentin Stefanie Ammon die ganze Debatte. "Die Vorgänge in der Bundespolitik haben ja ihre ganz eigene Atmosphäre. Da unterscheidet sich vieles von der Arbeit im Stadtrat." Ungeachtet dessen ist für sie eines klar: Hätte sich einer ihrer Mitarbeiter so etwas geleistet hätte, dann hätte sie ihn nicht mit einer Beförderung "bestraft".

Prinzipiell sei das Vorgehen bei Verfehlungen im Beruf immer dasselbe — und zwar unabhängig von der Stellung des Betroffenen. "Ich schaue zuerst, ob der Mitarbeiter sich vorher schon einmal etwas hat zu Schulden kommen lassen." Angenommen, es handle sich um jemanden, der bis dato eine blütenreine Weste hatte und seine Arbeit immer anstandslos gemacht hat? "Dann hätte ich auch eine andere Stelle für ihn oder sie beschafft. Die Person befördert hätte ich allerdings auf keinen Fall." Denn: "In der Belegschaft würde das ja für Unfrieden sorgen!"

Der Beamten-Gewerkschafter

Dass die ganze Sache komplexer war, als vielen bewusst ist, weiß der Fürther Harald Zirkel. Er ist der ehrenamtliche mittelfränkische Bezirksvorsitzende der KOMBA Bayern (Gewerkschaft der Beamten und Arbeitnehmer im kommunalen Dienst) und kennt die strikten Regeln, die für Beamte gelten.

Aber wie würde man denn eigentlich im Normalfall mit einem Beamten verfahren, der kein so hohes Tier ist? Und der sich wie Herr Maaßen möglicherweise nicht an seine beamtenrechtliche Verpflichtung gehalten hat, sich bei politischer Betätigung zu mäßigen? "Wenn ein Beamter seine Pflichten verletzt, dann kann das ein Dienstvergehen sein, das zu einem Disziplinarverfahren führen kann. Dem Beamten würden dann zum Beispiel Verweise, Geldbußen oder eben im schlimmsten Fall eine Entfernung aus dem Dienst blühen. Darüber kann aber nur ein Gericht entscheiden, nicht der Dienstherr."

Ein sogenannter politischer Bundesbeamter wie Maaßen könnte aber in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, sofern die Bundesregierung das wünscht – bekanntlich wollte Seehofer das nicht. Dafür muss nun Gunther Adler seinen Posten als Staatssekretär räumen. Das ist eine Beförderung für Maaßen, oder?

"Man muss bedenken: Ein Beamter hat das Recht darauf, bei einer Versetzung dasselbe Gehalt zu beziehen wie auf dem vorherigen Posten. Es wäre also rein rechtlich gar nicht gegangen, Maaßen einen schlechter bezahlten Job zu geben", sagt Zirkel. Da der Verfassungsschutz nur einen Präsidentenposten hat, hätte Maaßen hier nicht zum Beispiel der Vizepräsident werden können.

"Möglicherweise gab es im Bereich des Innenministeriums keine adäquate Stelle, die man mit ihm hätte besetzen können. Das könnte bei Seehofers Kompromiss eine Rolle gespielt und zum frühzeitigen Ruhestand von Herrn Adler geführt haben." Was genau passiert ist, kann Zirkel aus der Ferne freilich nicht beurteilen.

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