Warum Roßtals Bauamtsleiter Füße küsst

21.9.2016, 13:00 Uhr
Warum Roßtals Bauamtsleiter Füße küsst

© Foto: Wunder

Eigentlich, sagen Nadine und Stephan Klein, hatten sie gar keine „alte Hütte“ herrichten wollen. Womöglich wären die vergangenen vier Jahre auch wesentlich entspannter verlaufen, hätten sie in ein 08/15Eigenheim irgendwo auf dem Land investiert. Doch als sie an einem trüben Wintertag im März 2012 das ehemalige Amtsrichterhaus Roßtals sahen, war es um sie geschehen.

Zumindest auf den zweiten Blick. Denn als sie dem Haus am nächsten Tag einen zweiten Besuch abstatteten, schien die Sonne von einem wunderbar blauen Himmel und brachte das Gebäude zum Strahlen „Es war zwar in einem erbarmungswürdigen Zustand – aber wir haben uns in dem Augenblick sofort darin verliebt“, erzählt Nadine Klein mit glänzenden Augen.

Geschichtsträchtige Immobilie

Das geschichtsträchtige Gebäude zeugt von der einst großen Bedeutung Roßtals: 1328 mit dem Stadtrecht ausgestattet, avancierte es zum Hochgerichtsbezirk für 64 Orte zwischen Stein und Großhabersdorf. Der zuständige Amtsrichter residierte bis Ende des 18. Jahrhunderts in dem 1701 erbauten Haus. 1797 wurde das markgräfliche Richteramt jedoch aufgelöst und Roßtal 1806 bayerisch. So ging das Anwesen in Privatbesitz über. Noch bis in die 1980er Jahre war das Obergeschoss bewohnt, später wurde es als Lager genutzt, eine Heißmangel zog ein. Keine adäquate Nutzung. Der Gebäudesubstanz tat sie nicht gut.

Dass sie viel Arbeit würden reinstecken müssen, war dem Lehrer-Ehepaar von Anfang an bewusst. Schließlich war das Dach undicht, das Holzfachwerk massiv angeschlagen und wurmstichig. In mancher Ecke wucherte der Hausschwamm, die Statik war nach verschiedenen Umbauten wackelig, die Innenwände hatten Feuchte gezogen und die Ostfassade wölbte sich bedenklich nach außen. „Im Richtersaal war ein Loch in der Wand, durch das man rausschauen konnte“, erinnert sich Nadine Klein.

Von all dem ließen sich die Kleins nicht abschrecken. Dieses historische Haus mit knapp 140 Quadratmetern pro Geschoss sollte es einfach sein: Optimale Lage, gute Bahnanbindung, mitten im Ort und dennoch mit Privatsphäre im Innenhof. Nicht zu vergessen: „Ein wunderschönes Wohnhaus mit lichtdurchfluteten, großen, über drei Meter hohen Räumen samt Stuck- oder Balken-Bohlen-Decken“, schwärmen die Hauseigentümer. Auch heute noch.

Der Erwerb des Gebäudes ist vier Jahre her – und an einen Einzug ist frühestens im ersten Quartal 2017 zu denken. Rund 600 Tonnen an Bauschutt haben die Kleins aus dem Haus getragen und allein 450 Säcke à 15 Kilogramm Hohlraumfüllung in diesen Sommerferien Stück für Stück in den ersten Stock getragen. „Da spüren Sie nach 20 Säcken Ihre Arme nicht mehr“, seufzt Klein. Um die Sanierung einigermaßen stemmen zu können, legt der Lehrer eigentlich bei allem selbst Hand mit an. Mehrere tausend Stunden Arbeit haben die Kleins bereits in das Haus gesteckt.

„Wir hatten gehofft, ein Jahr nach dem Kauf zumindest das Erdgeschoss beziehen zu können“, sagt Stephan Klein. Das wäre vor drei Jahren gewesen. „Ein Denkmal zu sanieren bedarf umfangreicher und schwieriger Absprachen, und es gilt, die ein oder andere Hürde zu überwinden“, formuliert der 47-Jährige vorsichtig, warum es zu solch gravierenden Verzögerungen kam.

Es gab auch einen Punkt, an dem das Lehrerehepaar beinahe alles hingeschmissen hätte. „Heute sind wir natürlich froh, dass wir es nicht gemacht haben“, sagen beide. „Wir sind nach wie vor überzeugt von dem Projekt, „aber wir sind glücklich, wenn wir einziehen können.“ Und endlich auch mal wieder an einem Wochenende oder in den Ferien einfach nur „nichts“ tun können.

Dann kommt auch der große Augenblick für Bauamtsleiter Herbert Kurtok. Der hatte den Kleins versprochen, ihnen die Füße zu küssen, „wenn sie diese Immobilie am städtebaulich weitgehend sanierten Oberen Markt hergerichtet haben“.

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