Was bleibt — letztendlich

27.11.2012, 08:53 Uhr
Was bleibt — letztendlich

© Rödel

Dienst nach Vorschrift. So nämlich läuft das. Für ihn. Seit ziemlich geraumer Zeit. Natürlich nicht offenkundig. Denn Tarnung ist das halbe Leben. Das war und ist schon immer sein Motto gewesen. Was kann er schon ausrichten! Verändern.

Er, der kleinste Fisch im Karpfenteich, in dem sich dicke fette Karpfen genüsslich suhlen. Seit bald 40 Jahren im Unternehmen. Nichts weiter als es bis zum Posten des zuständigen Postverwalters gebracht. Das Haar schon etwas schütter, die Gesichtszüge etwas verwässert, mit Falten durchzogen. Dennoch immer noch ein Mann im besten Alter. Glaubt er. Weiß er. Wenn er nur wollte, dann könnte er. Nur die Frage ist, will er wirklich. Einer von denen da Oben werden, die aufgedunsen und wichtigtuerisch ihre Runden ziehen. Zwar das Sagen haben, auch den dickeren Geldbeutel, das größere Anwesen, vielleicht die schönere Frau.

Überhaupt, eine Frau. Will er das eigentlich? So eine Frau verdirbt einem doch auch nur die schönste Zeit mit Nörgelei, Wünschen und Ansprüchen. Nein, da ist er schon besser dran. Er kann ganz nach Belieben das abendliche Fernsehprogramm verwalten. Sich von schmackhaften Fertiggerichten ernähren. Oder sich hin und an mit den Kumpels in der Kneipe das ein oder andere Bierchen zum Schnitzel gönnen. Ohne dass daheim das Nudelholz samt Drachen wartet. Sein Lieblingswitz. Nur lacht über den keiner mehr.

Während einer wie er die Lücke sucht, den Unterschlupf, um sich geschickt aus der Affäre zu ziehen, schwimmen die dicken Fische bewusst ihre Bahnen. Suchen im brackigen Wasser die schlüpfrige Gelegenheit, zurren den Deal fest und sacken die nicht unerhebliche Provision einschließlich Beifall und Anerkennung ein. Laben sich an jedem kleinen oder größeren Brocken, der ihnen vor das breite Fischmaul schwimmt. Und werden allmählich selbst so schwammig wie der modrige Fischteich, in dem sie unaufhörlich ihren unersättlichen Hunger zu befriedigen suchen.

Wenn dann mal der eine oder andere Karpfen aus dem sumpfigen Teich gefischt wird, weil er halt nun mal fällig ist aufgrund des Alters, der Behäbigkeit, der Gier nach dem Happen an der lauernden Angel, dann ist es nicht schade. Stinkt so ein Fisch doch schon vom Kopf her.

Jedoch in feinster Butter in der Pfanne geröstet oder blau im Zwiebelsud riecht das kein Karpfenliebhaber mehr. Es ist, als ob die letzte Gnade der Zubereitung alles auslöscht, was so ein dicker fetter Karpfen sich einverleibt hat.

Heißt es nicht auch, über die Toten spricht man nichts Böses? Ja, so sagt man. Dann flackert an Allerheiligen auf solch einem Grab ein irrendes Lichtlein. Die Vorbeigehenden schaudern im fröstelnden Novembernebel, wohlwissend, was gewesen ist, jedoch tunlichst den Mantel des Schweigens darüber deckend. Der üppige Winterschmuck an Tannengrün und roten Beeren zeigt die zutiefst empfundene Trauer der Nachfahren. Derer, die nicht selten in den letzten Genuss der ergaunerten Wohltaten des alles verschlingenden Karpfen gekommen sind. Nicht schlecht davon leben. Allein das schon der Grund, das stinkende Maul und die Untaten unerwähnt zu lassen.

Fritz der Postverwalter hingegen, der kleinste Fisch im Tümpel, getarnt vom großen löchrigen Felsen, hat schon jetzt vorgesorgt. Noch ein paar Jahre Dienst mit verschlossenen Armen vor der Brust und pünktlichem Feierabend. Dann ist er draußen aus dem Teich. Sein Schrebergarten wartet auf ihn. Und dann die schöne mächtige Eiche im Friedwald. Dort bei Ebermannstadt. Das hat er sich schon jetzt angesehen. Und genau so verfügt. Er will fliegen mit dem Wind. Frei sein wie ein Vogel. Und das schönste Sprichwort voll auskosten:

Was juckt es die Eiche, wenn die Sau sich dran reibt.

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