Was fehlt zu einem besseren Leben?

26.7.2016, 11:00 Uhr
Was fehlt zu einem besseren Leben?

© Foto: Thomas Scherer

Mit bunten Plakaten machen vielerlei Stände auf sich aufmerksam. Doch an der Ecke Schwabacher Straße/ Blumenstraße kommt die Aktion „Anders handeln“ ein wenig subtiler daher. Vier Tafelwände ergeben einen dunklen Würfel, ein schwarz-gelb gestreiftes Trassierband und ein Zeltdach erregen Aufmerksamkeit. Vorsicht Baustelle? Oder vielleicht doch eine Einladung?

Zwei junge Männer und eine junge Frau in knallgelben Signalwesten haben sich um das Geviert aufgestellt, auf ihren Westen prangt der Aufdruck „Anders handeln“. Ja, wie denn? Auf den Tafeln stehen mit Kreide in Schönschrift schon einige Vorschläge geschrieben. Zum Beispiel: „Jeder Staat handelt grundsätzlich zum Wohl der gesamten Menschheit.“ Da vergießen selbst Zyniker Tränen der Rührung. Oder: „Reparaturen sind grundsätzlich günstiger als Neuanschaffungen.“ Prima Idee. Übrigens ist noch viel Platz, griffige Kreidesteine liegen bereit, eigene Ideen hinzuschreiben. . .

Simon Haendl, Katharina Largé und Kristof Tomasz, alle 20 bzw. 21 Jahre alt, haben schon bei der Inszenierung im Stadttheater mitgespielt. Grundlage waren rund 500 Texte, die Bürger aus der Region im Rahmen der Kunst-Aktion „Anders herum denken“ beigesteuert hatten. Gedanken dazu, was falsch läuft in der Gegenwart. Da wurde wirtschaftliches Ungleichgewicht angesprochen, verheerende Produktionsbedingungen, Konsumauswüchse. Haendl und Largé haben auch schon einen dreiteiligen Film über das Projekt gedreht. Doch dabei soll es nicht bleiben. Mit der neuen Aktion regen sie die Phantasie der Passanten einmal mehr an, ermuntern sie, eigene Gedanken zu entwickeln und kund zu tun.

Über die Köpfe hinweg

Dabei fällt auf, dass die Grundideen erneut um das Thema Ökonomie und finanzielle Gleichstellung kreisen. Das kommt nicht von ungefähr: „Konkret richtet sich diese Aktion gegen das Freihandelsabkommen, das momentan immer noch verhandelt wird, allerdings hinter verschlossenen Türen und über die Köpfe der Bürger hinweg“, erläutert Simon Haendl. „Wenn das Abkommen aber alle Menschen betrifft, dann sollen doch alle daran teilnehmen dürfen und niemand ausgeschlossen bleiben.“

Dabei ist sich das Trio durchaus bewusst, keine Patentlösungen anbieten zu können: „Die Leute sollen sich Gedanken machen“, betont Katharina Largé. Die Reaktionen der Passanten fallen entsprechend bunt aus. Das reicht von Kopfschütteln über Kinderkritzeleien und Nachfragen wie „Seid ihr Kommunisten?“ bis zu grimmigen Parolen: „Freiheitsentzug nicht unter drei Jahren für die Produzenten von geplantem Verschleiß.“ Im Lauf des Nachmittags, erzählt Largé, gab es Phasen, in denen die Leute nur so drauf los schrieben, und dann andere, da diskutierten sie zwar, fanden aber nicht die richtigen Worte, ihre Ideen knapp und bündig hinzuschreiben. „Übrigens haben erstaunlich viele Menschen mit Migrationshintergrund Interesse an unserem Projekt gezeigt“, beobachtete sie.

Und wenn die Wände voll geschrieben sind, ist auch das kein Problem, denn jeder Satz wird fotografisch festgehalten; dann sorgt der Schwamm für freien Platz, verloren geht also nichts. Auch nicht dieser Vorschlag: „Ziel des Handelns: Wohlbefinden und nicht Wohlstand.“

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