Wegen Graffiti in Jugendarrest

27.11.2011, 19:00 Uhr

Der 18-Jährige wirkt unauffällig, trägt Turnschuhe, Jeans, Pullover. Er komme aus einer intakten Familie, bescheinigt die Jugendgerichtshilfe. Im Herbst habe er ein Studium aufgenommen. Im Gerichtssaal sitzt er aufrecht, ruhig, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet.

In der Nacht zum 19. Juli soll der junge Mann, der zur Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) zählt, weitaus aktiver gewesen sein. Der Staatsanwalt legt ihm zur Last, drei Stellen im Osten der Stadt besprüht zu haben: mit dem Konterfei Carlo Giulianis, der 2001 bei Protesten gegen einen G8-Gipfel in Genua von Carabinieri erschossen worden ist.

Was sich zehn Jahre später in Fürth zugetragen hat, schildern sieben Polizeibeamte, die als Zeugen auftreten. Gegen 1.30 Uhr will eine Zivilstreife einen Radfahrer mit schwarzem Kapuzenpulli kontrollieren. Zweimal rufen die Beamten durchs Fenster „Stopp, Polizei“ und winken mit der Kelle. Doch der Radler flüchtet über die Jakobinenstraße in die Lange Straße. Dort springt einer der Beamten heraus, allerdings ist sein Kollege schneller: Mit dem Wagen schneidet er dem 18-Jährigen auf dem Gehsteig den Weg ab — und drückt dabei das Rad gegen eine Hauswand, der Jugendliche stürzt.

Vor Gericht legt er das Attest eines Mediziners vor, das ihm Schürfwunden am Knöchel und Kinn sowie eine Prellung bescheinigt. Der Fahrer des Wagens hatte zu Protokoll gegeben, sein Fuß sei vom Bremspedal gerutscht. Vor Gericht muss er nicht aussagen, nur sein Beifahrer.

Er und weitere Kollegen berichten, noch in der Nacht auf einer Werbetafel und einem Stromkasten in der Nürnberger Straße und einem weiteren in der Langen Straße, mit schwarzer Farbe frisch aufgesprüht, das Konterfei Giulianis gefunden zu haben; außerdem eine Plastiktüte, in der eine entsprechende Schablone steckte.

Farbe an den Händen

An ihr klebte ebenso schwarze Farbe wie an den Händen des 18-Jährigen. Außerdem stießen sie bei der Durchsuchung seines Zimmers in der elterlichen Wohnung auf Sprühdosen und andere Schablonen. Bei Tageslicht tauchte dann auch in der Nähe des Tatorts eine Sprühdose auf — vom selben Hersteller.

Für den Staatsanwalt sind die Indizien eindeutig: Weil der Jugendliche vor zwei Jahren schon einmal 30 Stunden soziale Arbeit ableisten musste, nachdem er eine Parkbank mit einem Edding-Stift beschmiert hatte, fordert er nun 60 Arbeitsstunden.

Doch das ist für Richter Engelhardt nicht genug. Er attestiert dem Angeklagten „Unbelehrbarkeit“ und verhängt zwei Wochen Jugendarrest. Rechtsanwalt Inigo Schmitt-Reinholtz kündigt Berufung an. Gegen die „brachiale Art“, mit der die Polizei seinen Mandanten stoppte, will er hingegen nicht vorgehen. „Das war hart an der Grenze, weil der Beamte schlimmere Verletzungen in Kauf genommen hat“, sagt der Anwalt. Wenn es aber heiße, es sei ein Versehen gewesen, werde er kaum anderes nachweisen können.

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