Wenn Bürger an einem Strang ziehen

14.9.2014, 16:00 Uhr
Wenn Bürger an einem Strang ziehen

© Heinz Wraneschitz

Horst Waldenburger weiß sich in bester Gesellschaft. Der Geschäftsführer der Deutschen Solarkraftwerke Verwaltungs-GmbH mit Sitz in Fürth will in Siegelsdorf einen Solarpark anlegen. Auf der einstigen Bauschutt-Deponie soll bald Energie für die Gemeinde gewonnen werden. Doch Waldenburger wird die Anlage nicht alleine stemmen: Wie berichtet, soll das Ganze zu einem Bürgerprojekt werden, Interessierte können Anteile zeichnen – auf Basis einer eingetragenen Genossenschaft.

Damit greift Waldenburger auf ein bewährtes Modell zurück: Von den 61 Genossenschaften, die 2013 in Bayern neu gegründet wurden, entstanden 43 im Energiebereich. „Ich habe mit mehreren Kollegen gesprochen“, sagt Waldenburger, „und alle sind sich einig: Wenn der Mensch aus der Umgebung dabei ist, ist das ein großer Vorteil.“ Die Anwohner identifizierten sich dann mit der Anlage; sie seien im wahrsten Sinne des Wortes näher dran an der Umwelt und der produzierten Energie. „Das große Plus von Genossenschaften ist, dass die Bürger mit Kopf und Geist daran teilhaben.“

Voraussichtlich im Oktober soll die Genossenschaft für die Siegelsdorfer Photovoltaik-Anlage gegründet werden, noch steht die endgültige Genehmigung vom Landratsamt aus. Auf einen ersten Artikel in den FN hin hatten sich immerhin 80 bis 90 Interessenten gemeldet. „Die Gründungswelle hält seit einigen Jahren an“, sagt Joachim Prahst vom Genossenschaftsverband. Als flexibel Organisationsform erleben die auf dem Prinzip der Selbsthilfe basierenden Unternehmen ihr Comeback.

Bereits seit 2001 dreht sich so unter einem genossenschaftlichen Dach das Bürgerwindrad in Vogtsreichenbach; 2009 wurde die VR Bürgerenergie Fürth gegründet. In Fernabrünst plant man derzeit ein Nahwärmenetzwerk auf genossenschaftlicher Basis, in Seukendorf kann man sich ein so organisiertes Blockheizkraftwerk vorstellen.

Keine Ladenhüter

Dass die Genossenschaften keine Ladenhüter mehr sind, ist dabei keine rein deutsche Angelegenheit, weiß Achim Grothaus von der Beratungsfirma Ernst & Young: „Das ist wie eine Welle, die da hochgeschwappt ist – auch international.“ Das Ziel einer Genossenschaft ist der langfristige Nutzen für die Mitglieder, die Miteigentümer befinden sich weitgehend unter Gleichgesinnten. Idealismus und Engagement sind Trumpf in einer solchen Unternehmensform.

Das erlebt auch Georg Rotter immer wieder, der seit zehn Jahren der Obstverwertungsgenossenschaft in Cadolzburg vorsitzt. Sie wurde 1925 gegründet, um das Obst der heimischen Bauern sinnvoll zu verarbeiten. Heute betreiben die aktuell 74 Mitglieder noch eine Brennerei; die Mosterei musste aufgegeben werden. Rotter weiß, dass ohne Idealismus und ehrenamtlichen Einsatz auch die Brennerei schon hätte dicht machen müssen.

Auf seine Unternehmensform blickt er mit gemischten Gefühlen: „Für kleine Vorhaben wie unseres ist eine Genossenschaft eher belastend“, sagt er bestimmt. „Wir haben ja keine hohen Erträge, aber müssen viele Belastungen schultern.“ So sind jährliche Beiträge an den Genossenschaftsverband zu zahlen, auch die alle zwei Jahre anstehende Buchprüfung verschlingt viel Geld. „Da ist man wirtschaftlich immer am Knabbern.“ Das haben auch schon andere Bürgerprojekte zu spüren bekommen: Aktuell hat der Dorfladen in Buchschwabach, der von einer Genossenschaft geführt wurde, sein Aus verkündet (ausführlicher Bericht folgt). Auch ein 2011 im Fürther Vorort Vach genossenschaftlich gegründeter Dorfladen musste ein Jahr später wieder aufgeben.

Ganz ohne Risiko geht es also nicht, auch wenn Verbandsmann Joachim Prahst sagt: „Die Genossenschaft ist vermutlich stabiler als jede andere Rechtsform – seit den 1950er Jahren war die Insolvenzquote der Genossenschaften stets die geringste.“ Als großer Vorteil wird dabei ihre Transparenz gesehen: Jedes Mitglied beteiligt sich finanziell und hat dann – unabhängig von der Höhe der Anteile – eine Stimme und ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen. Auch das, ist Horst Waldenburger überzeugt, lockt die Bürger, in den Siegeldorfer Solarpark zu investieren. Dass jeder alles hinterfragen und überprüfen kann, passe gut zum Geist der Zeit, in der viele Bürger großspurigen Vorhaben skeptisch gegenüberstehen.

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