Innovation: Wenn das Auto im Computertomographen ist

20.8.2018, 16:00 Uhr
Innovation: Wenn das Auto im Computertomographen ist

© Foto: BMW

Mit dem robotergestützten Computertomographie-System lässt sich in der Automobilproduktion jetzt bereits in der frühen Entwicklung die Qualität von Fahrzeugen umfassend analysieren, ohne sie dabei zerlegen zu müssen, teilen die beiden Unternehmen mit. So könnten Entwicklungszyklen verkürzt werden. Gemeinsam mit BMW wurde "RoboCT" in der Produktivumgebung bei dem Autobauer installiert. Dies biete gegenüber konventionellen CT-Systemen den Vorteil, Prüfpositionen an komplex geformten Objekten, wie einer Karosserie, oder in einem besonders großen Arbeitsraum zu erreichen.

Forschende des Fürther Fraunhofer-EZRT, einem Bereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) aus Erlangen, haben hierfür die Technologie "RoboCT" entwickelt. Rund 13 Jahre Entwicklungsarbeit stecken in der Technologie, die ursprünglich insbesondere für Prüfaufgaben in der Luft-und Raumfahrt entwickelt wurde, beispielsweise um ganze Tragflächen auf Fehlstellen zu untersuchen.

Vier Roboter kooperieren

Das CT-System wurde in enger Kooperation mit Ingenieuren der BMW Group im Forschungs- und Innovationszentrums in München direkt an der Schnittstelle zwischen Entwicklung und Produktion in Betrieb genommen. Beim dortigen Aufbau umfahren vier kooperierende Roboter, die die bildgebenden Komponenten wie Röntgenquelle und -detektor korrespondierend bewegen, das Fahrzeug. Aus den hierbei gemessenen Daten errechnet ein speziell entwickeltes Computerprogramm anschließend ein dreidimensionales, mehrschichtiges Bild. Damit lässt sich das Innenleben des gesamten Fahrzeuges analysieren. So ist es beispielsweise möglich, den Einsatz von Innovationen, neuen Werkstoffen und Verbindungstechniken bis ins Detail zu untersuchen – ohne dabei das Fahrzeug zu beschädigen.

Ohne Beschädigung

Das System ist in der Lage, dreidimensionale CT mit der Detailerkennbarkeit in Größe eines menschlichen Haares zu erzeugen. Das Objekt kann mit dieser Technologie mit höchster Präzision und ohne Beschädigung untersucht werden. Bisher mussten die entsprechenden Bauteile für eine solche Analyse zerlegt oder gar ausgesägt und in einem separaten CT-System analysiert werden.

"Bereits seit vielen Jahren setzen wir die CT und Röntgenbilder ein, um die Qualität von Bauteilen zu überprüfen", resümiert Michael Koch, Leiter Technologie Werkstoff- und Verfahrensanalytik bei BMW. "Mit unserer Anlage haben wir nun eine neue Dimension erreicht und können gesamte Fahrzeuge bis in den Mikrometerbereich analysieren." Dies sei beispielsweise erforderlich, um die Beschaffenheit einer Karosserie vor und nach dem Lackieren zu überprüfen. Dabei ist die Karosserie großen Temperaturbelastungen ausgesetzt, die zu Veränderungen der Klebeverbindungen führen können. Auch für das Überprüfen von Schweiß- und Stanzverbindungen im Fahrzeug wenden die Experten künftig Röntgenstrahlung an. Durch Verkürzung der Entwicklungszyklen von der Idee zur Markteinführung seien Unternehmen nun in der Lage, Produkte schneller auf den Markt zu bringen, heißt es vom EZRT.

Innovation: Wenn das Auto im Computertomographen ist

© Foto: Harry Zdera/BMW

Ungenauigkeiten der Roboter werden mit Algorithmen korrigiert Im industriellen Einsatz übliche Röntgen-CT-Systeme sind in der Lage, Objekte von etwa 30 Zentimetern Durchmesser zu tomographieren und so 3D-Informationen über alle äußeren und verdeckten, inneren Strukturen zu erfassen. Diese CT-Bilder lassen sich am Computer virtuell in beliebige Stapel von Schnittbildern zerlegen und analysieren.

Um Auflösungen von teils kleiner als einem Mikrometer zu erreichen, sind äußerst präzise Hardware-Komponenten notwendig. Mit großen Industrierobotern – hier mit Reichweiten von drei Metern und mehr – lassen sich Ausschnitte an viel größeren und komplex geformten Objekten erreichen. Die Herausforderung besteht darin, geometrische Ungenauigkeiten der Roboter algorithmisch direkt aus den aufgenommenen Messdaten zu korrigieren. Die präzisesten Industrieroboter dieser Größe erreichen derzeit lediglich Genauigkeiten von einem halben bis einen viertel Millimeter – während für die CT je nach Anwendung mindestens 1/20 Millimeter notwendig sind.

Künstliche Intelligenz nutzen

Im Rahmen einer Forschungsarbeit prüfen die Ingenieure aktuell, inwiefern künftig künstliche Intelligenz für die Auswertung der Ergebnisse eingesetzt werden kann. Mit Hilfe großer Datenmengen soll die Software zahlreiche Muster erlernen, diese Informationen selbständig miteinander verknüpfen und die Auswertung sukzessive automatisieren. Langfristig ist es Ziel, nicht wahl- oder lückenlos Materialdaten zu messen, sondern nur noch die relevanten. Was relevant ist, soll dieses "kognitive Sensorsystem" selber entscheiden.

Kunden sollen dann eine Art hochflexible Blackbox bekommen, skizziert das EZRT. Mit dieser müssen sie sich nicht auseinandersetzen und über kein Know-how im Bereich der zerstörungsfreien Prüfung verfügen. Teil dieser Box sind beispielsweise Roboter, die Zugriff auf unterschiedliche, sich selbst adaptierende Sensorsysteme haben. Der Roboter greift sich dann ein System, um eine bestimmte definierte Aufgabe zu lösen und nicht um etwas zu prüfen.

Eine hohe Kundennachfrage und der Anlauf neuer Modelle hätten im Jahr 2017 zu einer sehr guten Auslastung des Produktionsnetzwerks geführt, teilt unterdessen die BMW Group mit. Mit insgesamt über 2,5 Millionen produzierten Fahrzeugen der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce erreichte das Unternehmen einen Höchstwert in der Firmengeschichte. Die Werke in Deutschland seien dabei mit über einer Million produzierten Fahrzeugen für rund die Hälfte des Volumens verantwortlich gewesen.

Weltweit fast 130 000 Mitarbeiter

Das BMW Group Produktionsnetzwerk umfasst 30 Produktions- und Montagestätten in 14 Ländern. Mit Vertretungen in über 140 Ländern verfügt das Unternehmen über ein globales Vertriebsnetzwerk. Das Ergebnis der BMW Group vor Steuern 2017 belief sich auf zirka 10,7 Milliarden Euro, der Umsatz auf gut 98,7 Milliarden Euro. Zum 31. Dezember 2017 beschäftigte das Unternehmen weltweit fast 130 000 Mitarbeiter.

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