Wenn der Reißwolf kräftig zubeißt

13.6.2008, 00:00 Uhr
Wenn der Reißwolf kräftig zubeißt

© Hans-Joachim Winckler

Hätte der Kunstflaneur die Erlaubnis, diesen Container betreten zu dürfen, er ginge unter, verlöre Halt. Versinken würde man in einem schwer raschelnden Gebirge aus weißem Papier, das der Reißwolf bereits gründlich verdaut hat. Also: Wir müssen draußen bleiben. Gucken ist aber erlaubt.

Verena Manz’ «. . . es passen keine Schuhe» gewährt Einblicke durch die Containertür, und vielleicht ist auch in diesem Fall die Schauplatz-Wahl, die das Kulturamt für jene Arbeit getroffen hat, nicht völlig zufällig. Nur ein paar Meter daneben ist nämlich ein Blumenladen. Wer und was trifft da aufeinander?

Auch das Bild, das Manz - ehedem Meisterschülerin an der Akademie in Nürnberg und ausgezeichnet unter anderem mit dem Wolfram-Eschenbach-Förderpreis des Bezirks Mittelfranken - uns bietet, suggeriert auf den ersten Blick Leichtigkeit, Verspieltheit, Unschuld, Idylle. Vater, Mutter, Kind im trauten Container beisammen sind. Fehlen nur noch die Blumen.

Verschiedentlich sind die an Knetmännchen erinnernden Figurenskulpturen Manz’ schon in anderen Arbeiten der gebürtigen Gelnhauserin aufgetaucht und zum Markenzeichen avanciert. Schön, wie leicht und schwer zugleich sie wirken, Kraft bergen und von Fragilität künden. Sie stehen mit ihren Kugelfäusten in Mucki-Pose und scheinen doch im nächsten Moment nach hinten zu kippen. Draht, Zeitungspapier, Leim und Farbe waren hier im Spiel.

Was noch zu sehen ist im Gras aus Papier: ein Stuhl ohne Sitzfläche, ein leerer Korb, durch dessen Geflecht alle kleineren Gegenstände mühelos hindurchrutschen würden. Je länger, genauer, intensiver man hinschaut, desto bizarrer wird die Szenerie. Diese heitere Idylle ist voller Untiefen. Gleich könnte ein Wind durch den Container fegen und alles zunichte machen. Zur Dämmerstunde verstärkt Schwarzlicht, das aus drei Stabröhren auf die Arbeit fällt, den Eindruck des Unheimlichen. Oder: Das Wasser steigt. Manz beschreibt es in ihren Worten so: «Das Reißwolfpapier als Zeichen der von heutigen und künftigen Daten überfluteten Welt.» Es passen keine Schuhe, die hier Halt bieten könnten. mab

Rudolf-Breitscheid-Straße, Ecke Hallstraße, täglich 11-20 Uhr

Ein üppiges Begleitprogramm steht am heutigen Freitag auf dem containART-Terminkalender. Um 12nach12 berichtet Gleis 0-Projektchef Alexander von Prümmer am Ort des Geschehens (Hauptbahnhof, 1.OG) über die Kunstaktion. An ihrem Container «Weltenräume» auf dem Kohlenmarkt stehen Heike und Helmuth Hahn zwischen 17 und 20 Uhr für Fragen aller Art zur Verfügung. Die Führung 30 Minuten für Stadt und Kunst beginnt um 18 Uhr am Centaurenbrunnen auf dem Bahnhofplatz. Die musikalische Kunstkistenbegleitung macht ab 23 Uhr im Raum 4 (Nürnberger Straße 3) die Raum 4-Band mit Late Night Jazz. Der Eintritt ist frei, Spenden wären aber schön.