Wenn im Alter die Angst vor Pflegebedürftigkeit wächst

21.5.2018, 10:00 Uhr
Wenn im Alter die Angst vor Pflegebedürftigkeit wächst

© Foto: Felix Kästle/dpa

Unsere Lebenserwartung steigt seit Jahren kontinuierlich an. Das ist schön. Freilich nehmen gleichzeitig auch klassische Alterskrankheiten wie Demenz zu. Experten rechnen damit, dass Ende dieses Jahres 3,5 Millionen Menschen Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung beziehen. Die Kosten, auch das sagen die Fachleute, explodieren. Gerade erst erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass er mit einem höheren Beitragssatz für die Pflegeversicherung im kommenden Jahr rechnet.

Andererseits hat der Mangel an Fachkräften in der Pflege längst dramatische Formen angenommen: Pessimistische Hochrechnungen prognostizieren bereits, dass bis zum Jahr 2030 eine halbe Millionen Stellen nicht besetzt werden können, wenn sich nichts ändert. Was also tun, wenn ein Familienmitglied plötzlich auf Hilfe angewiesen ist? Das ist eine Situation, die Sabine Roth (52) meistern musste: "Mein Vater ist im vergangenen Oktober gestorben, wir hatten in den Jahren vor seiner Krankheit keinen Kontakt, aber selbstverständlich habe ich mich um ihn gekümmert." Sie entschied sich für die Hilfe durch eine Pflegekraft aus Polen und sagt heute: "Wir haben gute Erfahrungen gemacht."

Franziska Bettschnitt (59) erinnert sich: "Meine Mutter litt an Alzheimer, das war sehr schlimm. Wir mussten sie in einer Einrichtung unterbringen." Meist sei die Betreuung "sehr gut" gewesen, doch ab und zu gab es auch andere Momente: "Manchmal war es nicht so gut, es kam immer sehr auf die Stationsleitung an." Ehemann Hans Bettschnitt (61) erklärt: "Es gibt eben einfach zu wenig Personal, dadurch fehlt es dann überall an der notwendigen Zeit." Als aufwändig erlebte er auch die kontinuierliche Dokumentation, die die Pflegekräfte leisten müssen: "Natürlich ist das auch wichtig, aber es kostet halt andauernd wertvolle Minuten."

Auf die Frage, wie sie sich ihr eigenes Alter vorstellt, antwortet Franziska Bettschnitt spontan mit: "Da wird mir echt Angst." Sie hat sich fest vorgenommen, "auf jeden Fall eine Patientenverfügung zu erstellen". Sie wisse nämlich genau, welche Maßnahmen sie im Ernstfall auf keinen Fall will. Ob sie auf die Pflege durch die Kinder hofft? Sie schüttelt den Kopf: "Wenn man eine schwere Krankheit hat, kann man das nicht erwarten."

Warum so eine Aufgabe nicht nur schnell die eigenen Kräfte übersteigt, sondern auch andere Konsequenzen nach sich zieht, darüber hat auch Evelyn Berger nachgedacht: "Ich weiß einfach nicht, ob ich mir das leisten könnte." Eine intensive Pflege würde nämlich bedeuten, dass man den Beruf aufgeben müsste: "Aber ich muss noch neun Jahre arbeiten, sonst ist meine Rente noch geringer", erklärt die 57-Jährige, die als Verkäuferin beschäftigt ist.

Für ihren Vater ("Er ist 86 und es geht ihm gottlob gut") kümmert sie sich "ein bissel um den Haushalt", kauft ein und macht sauber. "Aber ich habe bei einer Bekannten gesehen, was es heißt, eine volle Pflege zu übernehmen. Das ist natürlich etwas ganz anderes." Wenn sie an ihr eigenes Alter denkt, gibt sie zu: "Ehrlich, ich möchte nicht von meinen Kindern gepflegt werden. Dass sie sich um mich ein bisschen kümmern, wäre schön. Aber ich möchte ihnen nie zur Last fallen."

Was zählt, wenn man selbst so krank ist, dass intensive Betreuung nötig wird? Janine Kunz hat eine klare Vorstellung: "Wenn ich gepflegt werden müsste, dann wäre es mir wichtig, dass ich mit Respekt behandelt werde." Die 30-Jährige ist Arzthelferin von Beruf und versichert: "Man ist doch immer noch Mensch, auch wenn man nicht mehr selbst agieren kann." Seit einem Jahr sind Janine und Moritz (31) Kunz Eltern. Sie haben bereits daran gedacht, sich "ein bisschen abzusichern", damit es ihr Sohn "später etwas leichter hat". Und sie hoffen, auch wenn das heute noch in weiter Ferne liegt, "dass er uns später in ein Heim gibt, wo man uns nicht vernachlässigt".

Robert Brommer hat bereits in der Altenpflege gearbeitet und ist inzwischen als Heilerziehungspfleger für Menschen mit Autismus tätig. Der 28-Jährige wünscht sich, dass in Sachen Pflege-Notstand sehr bald Entscheidendes passiert: "Unter anderem muss die Ausbildung lukrativer und die Bezahlung grundsätzlich fairer werden."

Wichtig sei aber auch regelmäßige Weiterbildung: "Man kann doch nicht 20 Jahre auf dem immer gleichen Stand bleiben." Wie mit Motivation und Engagement die Betreuung in einer Senioren-Einrichtung gelingen kann, hat Brommer erlebt: "Da, wo ich gearbeitet habe, gab es viele Angebote, von Musikkreisen bis zu Gebetsrunden. Das wurde sehr gerne angenommen und alle haben sich darauf gefreut."

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