Wenn sich Politiker mit Gemüse vergleichen

16.2.2014, 21:00 Uhr
Wenn sich Politiker mit Gemüse vergleichen

© Sandra Stöckl

Geladen waren Amtsinhaber Thomas Jung und die Kandidaten Dietmar Helm (CSU), Brigitte Dittrich (Grüne), Ulrich Schönweiß (Linke), Stephan Eichmann (FDP) und Heidi Lau (FW), um sich „auch einmal als Personen vorzustellen zu können“, erklärt Jörg Sichelstiel – normalerweise evangelischer Dekan, diesmal aber Moderator. Seine neue Aufgabe nutzt er, um zu Beginn strenge Regeln festzulegen: Die Antworten müssen kurz ausfallen, Referate sind nicht erwünscht.

Zeitgleich schleppt Ulla Dürr vom Diakonischen Werk einen riesigen Korb mit Obst und Gemüse an. Was es damit auf sich hat? „Mit Hilfe der Früchte soll jeder etwas über die Stadt Fürth erzählen“, klärt Sichelstiel das neugierige Publikum auf – pro Person gibt es nur eine Minute Zeit.

Brigitte Dittrich greift zum Granatapfel. „Da sind viele Früchte drin“, beginnt sie, „wie in Fürth: Viele unterschiedliche Religionen tun sich hier zusammen und bilden einen guten Mix.“ Eichmann entscheidet sich für die humorvollere Variante und klaubt ein Stück Ingwer aus dem Korb – denn der sieht auf den ersten Blick „etwas komisch aus“, man könne aber interessante Dinge damit machen.

Während das Publikum noch lauthals über die Wahl des FDP-Kandidaten lacht, tappt Dietmar Helm gleich in ein Fettnäpfchen, indem er den Apfel mit dem Paradies vergleicht. Zur Erinnerung: Der Bibel nach mussten Adam und Eva den Ort verlassen, nachdem sie der verbotenen Frucht nicht widerstehen konnten.

Jung entscheidet sich lieber für die Paprika: „Scharf und sexy – wie Fürth.“ Lau muss noch eins draufsetzen und hält die Peperoni hoch. Fast jeder hat die erste Aufgabe zufriedenstellend gelöst, doch der letzte, Ulrich Schönweiß, verfehlt das Ziel. Der Rotkohl war scheinbar das erste, was er mit seiner freien Hand erwischen konnte, in der anderen Hand hält er einen Zettel. „Wir brauchen Schubkraft in die richtige Richtung“, liest er dem irritiert dreinblickenden Zuschauern vor.

Was der Rotkohl mit Schubkraft zu tun hat, das kann sich auch Sichelstiel beim besten Willen nicht erklären, deshalb geht es weiter mit den Aufgaben der Kirche: Verkündung, Gemeinschaft, Soziales und Politisches – was ist am wichtigsten, was unnötig? Hier sind sich alle einig und stellen die Politik an die letzte Stelle.

„Politik ist nicht die Kernaufgabe“, sagt Stephan Eichmann. Konkurrentin Dittrich formuliert es deutlich direkter: Die Kirche solle sich aus diesem Bereich heraushalten – Punkt. Eine Aussage, die der Dekan nicht auf sich sitzen lassen kann. „Dann hätten wir, wenn es nach Frau Dittrich geht, den Abend gar nicht machen dürfen“, stichelt er.

Die Anzahl der Nichtkonfessionellen und Muslime nimmt in der Kleeblattstadt immer mehr zu, was sagen die OB-Kandidaten dazu? Helm fordert die Kirchen auf, Jugendliche mehr an sich zu binden. Und während er sich zu Muslimen gar nicht äußern möchte, ist Jung froh über „jeden, der Glauben kann“. Heidi Lau, selbst aus der Kirche ausgetreten, sagt: „Die Leute treten nicht aus, weil sie nicht mehr gläubig sind, sondern weil das Bodenpersonal nicht stimmt.“ Das tut weh, ist ein großer Teil der anwesenden Personen doch in der Kirche aktiv.

Johanna Kluge von der Evangelischen Jugend scheint es trotzdem noch nicht hitzig genug zuzugehen, deshalb möchte sie von den Kandidaten wissen, welche Konflikttypen sie sind. Als Vorlage dient den Politikern eine Auswahl von Tieren. Dittrich sieht sich selbst als Ratte, die sich in etwas „Hineinnagen kann“, Eichmann ist ein Fuchs, der erst ganz ruhig zusieht und dann „doch die Gans erwischt“, und Helm beschreibt seine Persönlichkeit als „ruhig und ausgeglichen“. Deshalb hält er den Delphin in der Hand.

Der OB und Lau haben beide den Stier im Visier. Jung setzt sich durch: Den könne man nur sehr schwer reizen. Für die FW-Kandidatin kommt nur noch die Giraffe in Frage, die „alles überblickt“. Wegen der „Gemütlichkeit und Stärke“ entscheidet sich Schönweiß für den Bären.

Nach all den eher lockeren Fragen seiner Vorgänger, will Christian Hoffmann von der Caritas zum Ende der Veranstaltung den Kandidaten doch noch Kommentare zu einem aktuellen Thema entlocken: Zahlreiche Flüchtlinge kommen in Fürth an. Was soll die Stadt machen?

Hier ziehen CSU und Grüne an einem Strang: Für beide ist klar, dass genug Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss, und zwar nicht am Rand, sondern „mittendrin“. Eichmann, Lau und Schönweiß plädieren wiederum dafür, Flüchtlinge mehr als Menschen wahrzunehmen. Will heißen: den Traumatisierten zu helfen und auch an die Fluchtursache zu denken. Für den OB ist klar, dass sich auch die Gesellschaft dafür stark machen muss, dass keine „Brennpunkte“ in der Stadt entstehen. Immerhin seien aktuell bereits 250 Flüchtlinge im Asylbewerberverfahren, zum Jahresende werden es noch deutlich mehr sein: 400 bis 450.

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