Wie der Regenbogen in den Himmel kam

28.6.2014, 09:00 Uhr
Wie der Regenbogen in den Himmel kam

© Ilona Kriesl

Hat sich unter der Baumwurzel nicht eben etwas bewegt? Der kleine Junge bückt sich, um einen zweiten Blick zu riskieren. Einige Sekunden lang starrt er gebannt auf den dunklen Fleck Waldboden zu seinen Füßen und lauscht. Neben der Wurzel sitzt Zorica Otto und erzählt die Geschichte von der Regenbogenschlange: Sie beschreibt, wie das Tier zunächst im Wald lebte, dann in den Himmel wanderte und sich in einen Regenbogen verwandelte. „Der leuchtete in allen Farben: orange, gelb, blau und purpur.“

Fantasie und Realität

Zorica Otto liebt Fabeln, Märchen und Sagen, sie sind für sie mehr als bloße Worte. „Märchen sind Erde und Luft, Schatten und Sonne zugleich“, weiß die Erzählerin. Wenn sie spricht, vermischt sich Fantastisches mit der Realität: Unter der Wurzel am Waldbogen lugt dann der Kopf einer Regenbogenschlange hervor, und das Firmament leuchtet in der Fantasie der Kinder in allen Farben. Am Ende der Geschichte ruft ein kleiner Zuhörer: „Ich habe am Himmel auch die Farben Silber und Gold gesehen.“

Im Gänsemarsch geht es tiefer in das Waldstück hinein: 30 Kinder aus dem städtischen Kindergarten „Plapperkiste“ sind zum Zuhören gekommen, aber auch Eltern mit ihren Kindern, die über das Naturamt auf die Veranstaltung aufmerksam wurden. Es ist drückend heiß an diesem Nachmittag, die Bäume werfen Schatten auf den Waldboden. Zwischen den Büschen plätschert ein Bach, der Abkühlung spendet. Die Kinder sammeln Äste, Steine oder Blätter und spielen damit – eine perfekte Umgebung, um in das Reich von Zauberern, Feen und Elfen einzutauchen.

„Märchen sind etwas Wertvolles“, sagt Zorica Otto – und ihre kleinen Zuhörer geben ihr Recht. Sie lauschen der Erzählerin, staunen über die Figuren in den Geschichten und sind erleichtert, wenn das Märchen glücklich ausgeht. Nebenbei fördert das die kindliche Vorstellungskraft: Wie sah wohl die Schlange aus, die sich unter der Baumwurzel versteckt hat? In welchen Farben hat der Regenbogen wohl noch geleuchtet? Die Kinder verwandeln sich in ihrer Fantasie selbst zu Prinzessinnen und Prinzen, Fabeltieren und Märchenwesen. Unter einem schattigen Baum erzählt Zorica Otto das Märchen von dem Hähnchen, dem eine Bohne im Hals stecken blieb. Als die Geschichte schließlich gut endet, ruft sie „Kikeriki!“ – vor Freude darüber, dass die Bohne doch endlich nach unten gerutscht ist.

Alle Kinder stimmen sofort mit ein, aus dutzenden Mündern schallt es „Kikeriki!“ Ein Junge springt auf, zupft am Rocksaum der Märchenerzählerin und schaut sie fragend an: „Erzählst Du uns noch eine Geschichte?“

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