Wie Langenzenn das Kriegsende erlebte

4.2.2017, 13:00 Uhr
Wie Langenzenn das Kriegsende erlebte

© Foto: US Signal Corps

Der Drehzahlmesser verbogen, Wendezeiger und Kurskreisel weisen Schrammen auf. Es sind die letzten Überbleibsel einer britischen Militärmaschine, die nahe Langenzenn abstürzte. „Recht viel mehr ist von dieser Tragödie nicht geblieben“, erzählt die Vorsitzende des Heimatvereins, Heidi Stinzendörfer. Besonders bedrückend, just an dem Tag, an dem die Maschine verunglückte, stellte sich die Crew noch zuvor dem Fotografen. So bekommen die Menschen, die ihr Leben verloren, ein Gesicht. Schrottteile und ein Foto – mit deren Beschreibung beginnt die Ausstellung mit einem Paukenschlag.

Wie Langenzenn das Kriegsende erlebte

© Foto: Fiedler

„Ja wir hinken dem historischen Datum ein wenig hinterher“, gesteht Stinzendörfer, danach gefragt, warum die Ausstellung nicht zum historischen 70. Jahrestag 2015 angesetzt wurde. Das habe mit einem Buch zu tun. „Gefangen unter freiem Himmel“, verfasst von Susanne Schmidt, ebenfalls eine Langenzennerin. Es erschien zum Jahreswechsel 2015/16 und beschreibt das für die Dauer von rund sechs Wochen größte Kriegsgefangenenlager Süddeutschlands. Auf dem Gelände, wo heute Gymnasiasten die Schule besuchen und am Teufelsgraben wieder Gras gemäht wird, wurden – die Angaben schwanken – zwischen 100 000 und 350 000 Menschen interniert. Einige blieben nur wenige Tage, andere mussten wochenlang bei nasskaltem Aprilwetter ausharren. Viele seien an den elenden hygienischen Verhältnissen gestorben, andere hätten durchgedreht, wurden auf der Flucht erschossen, berichtet Stinzendörfer. An dieser Stelle zitiert sie nicht nur aus dem Buch. Die Ausstellung zeigt authentische Filmaufnahmen aus dem Lageralltag. Beide Medien verraten Details unmenschlicher Zustände. Kurz nach Kriegsende gingen die amerikanischen Soldaten, sie rückten bereits am 17. April 1945 in Langenzenn ein, äußerst hart mit den deutschen Inhaftierten um. Beschrieben werden Krankheit, Prügel, Exekutionen.

Die Exponate, die einen Einblick in das Lagerleben geben, sind oftmals Leihgaben: abgeschabte Löffel, ein provisorisch zusammengebogenes Messer, das durch alle Kontrollen geschmuggelt wurde. Sogar eine Colaflasche aus dem Jahr 1945 ist zu sehen, gefunden an einem Rastplatz der Army.

Auch wenn die Ausstellungsmacher dem Kriegsgefangenenlager viel Aufmerksamkeit widmen, erzählen andere Gegenstände, wie sich das Kriegsende für die Langenzenner Zivilbevölkerung anfühlte. Urkunden und Briefwechsel dokumentieren den Vorgang der Entnazifizierung, Lebensmittelmarken und Besatzungsgeld bezeugen die schlechte Versorgungslage.

In anderen Vitrinen liegen Hülsen von Phosphorbomben, die ins Klosterdach einschlugen. Ihre Reste wurden auf dem Dachboden gefunden. „Es war Zufall, dass sie sich nicht entzündet haben“, sagt Stinzendörfer. Anderweitig, so mutmaßt sie, wäre das Kloster heute wohl nicht in diesem Zustand. Nicht jedes Haus in Langenzenn ist heil geblieben. Wo heute ein Büro Traumreisen vermittelt, standen 1945 nur noch Grundmauern. Die dort befindliche Gemüsehandlung verkaufte über Jahre aus dem Keller. Fotografien dokumentieren das Vorher und Nachher.

Die katholische Kirche Langenzenns steht auf dem Grundstück des Heims der Hitlerjugend, bis April 1945 ein schmucker Fachwerkbau. „Weil die Jugendlichen von dort auf die amerikanischen Panzer feuerten, sei es in Brand geschossen worden“, berichtet Stinzendörfer. Kritisch war die Situation in diesen Tagen. In Langenzenn sei zwar Mitte April der Krieg beendet gewesen. Bis zur bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai herrschte aber noch Kriegsrecht.

Wer sich einer Führung durch die Ausstellung anschließt, erfährt viel über das letzte Aufbäumen der Nazis, die etwa Brücken sprengten. Mit einer Ausnahme: Die Zerstörung der Brücke an der Neumühle wurde von einem mutigen Bürger sabotiert. Er hatte wohl die Amerikaner und damit das Kriegsende herbeigesehnt.

Öffnungszeiten: Jeden ersten Sonntag im Monat, von 14 bis 16 Uhr, oder nach Vereinbarung (09 101) 87 64 oder 81 40.

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