Wie Pornos auf Jugendliche wirken

21.5.2012, 13:00 Uhr
Wie Pornos auf Jugendliche wirken

© Lija Peter/ddp

„Die Entwicklung der Jugendsexualität unter dem Einfluss von Pornografie im Netz“: Unter diesem Motto stimmte Freya Zechmair von pro familia Bamberg auf das Thema ein. Die Diplom-Pädagogin, die seit zwölf Jahren im sozialpädagogischen Bereich arbeitet, zeigte die „Pornografisierung der Gesellschaft“ auf: eine hohe, nicht exakt bekannte Zahl von Nutzern, die auf Bildschirmen regelmäßig Spiele, Filme und Clips konsumiert. Zahlreiche Angebote für nahezu jede sexuelle Praktik und Vorliebe. Gezielt eingesetzte Erotik in der Werbung. Bereits als selbstverständlich in den Sprachgebrauch eingeflossene Begriffe, wobei „geil“ noch der harmloseste ist. Ein gesellschaftlich anerkannter „Pornochic“ mit bauchfreien Shirts zu kurzen Röcken — als Kostüm schon für Fünfjährige zu haben. „Netz-sexting“ nennt die Referentin eine neue Art, einander zu erniedrigen: Heimlich aufgenommene Filme oder freizügige Aufnahmen von Ex-Partnern werden per Internet öffentlich gemacht.

Der Druck gut auszusehen führe bei den Mädchen zur zunehmenden Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Zechmair: „Je stärker Frauen sich als Sexualobjekt sehen, desto geringer ist ihr Selbstwert.“ Weil es die Idealfigur nur mit Hilfe von Diäten und Operationen gebe, führe der Druck bereits bei jedem dritten Mädchen zu Essstörungen und „immer mehr individuell empfundenem Unglück“. Erschwerend hinzu kommt laut Zechmair die gesellschaftliche Doppelmoral, der Mädchen ausgesetzt sind. Sie sollen sexy und verführerisch sein, zur Sexualität aber nein sagen. „Es geht unglaublich schnell, dass Mädchen als Schlampen gelten.“ Jungen könnten sich ungestraft sehr viel mehr Partnerwechsel erlauben.

Obwohl aber Pornografie längst den gesellschaftlichen Mainstream erreicht hat, bescheinigte die Referentin jungen Leuten, insgesamt verantwortungsvoll mit Sexualität umzugehen. Zwischen 16 und 17 Jahre seien sie im Durchschnitt, wenn sie das erste Mal miteinander schlafen. Mädchen, die das erste Mal Sex haben, verhüten laut Studien zu 80 Prozent, 30 Prozent der Jungen benutzen ein Kondom.

Keine Gefahr für die Masse

Die Wirkung von Pornos bewertete Zechmair als sehr unterschiedlich. Sie hänge auch von der Machart ab. In Untersuchungen gaben etwa gleich viele Probanden an, dass sie sich geekelt bzw. „angemacht“ gefühlt hätten, dass sie wütend über das Gezeigte seien und „etwas dazugelernt“ hätten.

Für die Masse der Jugendlichen stellt Pornografie nach Zechmairs Einschätzung keine Gefahr dar, für eine Minderheit schon. Alter, soziales Umfeld, familiäres Klima und die Möglichkeiten, über Sexualität zu sprechen, seien dabei ebenso wichtig wie die individuelle Situation. Fazit: Positiv gesehen könne Pornokonsum helfen, Verklemmungen zu überwinden, Lustgefühle fördern und Neugier befriedigen. Gewöhnungseffekte, sexueller Leistungsdruck, Wahrnehmungsverzerrung, Frauenfeindlichkeit und die Förderung gewalttätiger Verhaltensweisen hingegen waren einige der vielen negativen Punkte, die die Pädagogin aufzählte.

Einig waren sich die Tagungsteilnehmer, dass es der falsche Weg wäre, den Zugang zu pornografischen Angeboten zu erschweren. Denn, so Klaus Lutz: Wer unbedingt Pornografisches sehen will, wende eine gewisse Energie auf, um ans Ziel zu kommen.Überdies seien die technischen Möglichkeiten beschränkt, den Konsum von Pornos zu verhindern.

Wie schwierig das Thema Pornografie für Erwachsene in der Jugendarbeit ist, zeigte sich auch in den sehr unterschiedlichen Einstellungs- und Herangehensweisen der weiblichen und männlichen Tagungsteilnehmer. Beklagt wurde aber auch, dass es neben dem in der Schule vermittelten Grundwissen keine seriösen Informationsquellen gebe. Letztlich überlasse man diesen Bereich der Aufklärung der Pornoindustrie mit ihren „harten“ und „weichen“ Filmen. Fazit der Tagung: Eine intensivere Diskussion von Jugendlichen und Pädagogen wäre der richtige Weg. Momentan aber weiß niemand, wie der zu beschreiten wäre.

Keine Kommentare