Wir jodeln anonym

8.5.2016, 17:54 Uhr
Wir jodeln anonym

© Foto: Otte

Auch im Internet herrscht Meinungsfreiheit. Wer davon in sozialen Netzwerken wie Facebook zu oft Gebrauch macht, gilt schnell als nervig und wird mit Verachtung gestraft. Ein Grund für viele User, sich mit Beiträgen zurückzuhalten. Was aber, wenn das Ganze komplett anonym wäre?

Diese Möglichkeit verschafft euch seit kurzer Zeit die App „Jodel“. Ganz ohne Anmeldung und Account könnt ihr dort Gedanken, Meinungen, Sprüche oder Witze mit eurer Umgebung teilen. Von belanglosen Tatsachen bis hin zu peinlichen Geständnissen ist alles dabei – schließlich weiß ja niemand, von wem es kommt.

Sichtbar sind die Posts nur für Leute in einem Radius von zehn Kilometern um den eigenen Standort. Dadurch bestimmen oft aktuelle lokale Themen das Geschehen. Da ein Großteil der Nutzer Studenten sind, sind nicht selten Uni-Themen im Gespräch – zum Beispiel der Ärger über eine viel zu schwere Klausur.

Mit-Entwickler und Geschäftsführer der App ist Alessio Borgmeyer. Der Sinn von Jodel sei, dass der User in Echtzeit erfährt, was in der eigenen Umgebung passiert, erklärte der ehemalige Student gegenüber dem Stern.

Die Jodler haben dabei die Möglichkeit, jeden Post einmal up- oder downzuvoten. Erfolgreiche Beiträge werden in der Sektion „Lauteste Jodel“ gelistet. Oft reicht dafür nur ein flacher Spruch, solange er den anderen einen Lacher abgewinnt.

„Wenn ein Anwalt Fußball spielt, ist er dann automatisch Rechtsverteidiger?“ ist da so ein Beispiel. Ein anderer schreibt: „Der Moment, wenn man in der Ecke der Dusche steht und wartet, bis das Wasser warm wird.“ Solche Alltagssituationen, die jeder kennt, verbinden die Community.

Spaß im Vordergrund

Über die Zeit haben sich dabei einige Jodeltrends im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen etabliert: Da wäre das VGN-Racing-Team, das immer rücksichtslos und zu schnell unterwegs ist. Die Grundschullehramts-Studenten, die den ganzen Tag nur Mandalas malen statt zu studieren.

Oder die Erstsemestler, die noch planlos und naiv durch den Campus stolpern. Die generelle Regel bei Jodel lautet daher: Nimm dich selbst nicht zu ernst – der Spaß steht schließlich im Vordergrund.

Anreiz, möglichst viel zu jodeln, wird durch das sogenannte Karma geschaffen. Zwei Karmapunkte gibt es, wenn man einen anderen Post votet, zehn Karmapunkte, wenn der eigene Beitrag positiv bewertet wird – im umgekehrten Fall allerdings auch zehn weniger. Ein Prinzip, das viele missbrauchen, indem sie erfolgreiche Texte anderer kopieren, um das eigenen Karma zu pushen.

Solche „Re-Posts“ sind jedoch ein ungern gesehenes Verhalten in der Jodel-Gemeinschaft. Auch hier hilft man sich selbst: Hat eine Mitteilung minus fünf Karmapunkte, fliegt sie raus. Was Jodel am Ende so erfolgreich macht, ist neben der Anonymität der räumliche Bezug. Man kommuniziert nicht länger mit ausgewählten Freunden, sondern mit jedem im Umkreis.

„Jodel ist dort, wo ein pickeliger Nerd mehr Likes bekommt als die vollbusige likegeile Selfiemacherin“, schreibt ein User – und erntet dafür 281 Likes. Recht hat er damit allemal, denn bei der App zählt letztlich eben doch nur der Inhalt.

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