Wissenschaftsstadt mit eigenem Lehrstuhl

30.12.2011, 09:00 Uhr
Wissenschaftsstadt mit eigenem Lehrstuhl

© Hans-Joachim Winckler

„Technikum 2“ heißt die neue Adresse, die am 17. April eingeweiht werden soll – ein Jahr nach Inbetriebnahme der dritten Entwicklungshalle nebenan. Die zuvor vom Computerverlag Computec genutzten ehemaligen Grundig-Räume sind längst umgebaut. Auf knapp 3000 Quadratmetern werden hier unter Zaisers Regie künftig Computersimulationen entwickelt, die das Erforschen neuer Werkstoffe enorm beschleunigen können.

Daneben widmet sich ein weiterer Forschungsbereich innovativen Hochtemperaturwerkstoffen. Es handelt sich unter anderem um Titanlegierungen, die in Pulverform mittels Laser dreidimensional modelliert werden können. Ihre Einsatzgebiete liegen etwa in der Medizintechnik, wo sie bei Knochenimplantaten Verwendung finden. Die Werkstoffwissenschaftler des Fürther Technikums sind auf diesem Gebiet führend.

Ausgezeichnete Perspektiven

Mit Zuversicht kann der „Motor“ des heuer zehn Jahre alt gewordenen Technikums und Geschäftsführer des angeschlossenen Zentralinstituts für neue Materialien und Prozesstechnik, Prof. Dr. Robert Singer, in die Zukunft blicken. Mit elf Millionen Euro aus dem nach der Quelle-Pleite aufgelegten Strukturförderprogramm wird die Entwicklung der Hochtemperaturwerkstoffe vom Staat gefördert.

Weitere 12,8 Millionen Euro wollen die Fürther Wissenschaftler mit Hilfe eines neu entwickelten Roboterarms aus dem Sonderforschungsprogramm Transregio an Land ziehen. Am 11. Januar werden sie zur Begutachtung der Förderwürdigkeit nach Bonn reisen. Im Gepäck: der aus Alublech und Titan gefertigte Roboterarm. Er wiegt nur ein Drittel herkömmlicher Guss-Arme und kann das Sechsfache seines Eigengewichts heben. Bisher gebräuchliche Roboterarme tragen nur das Zweifache ihres Gewichts.

Ein Jahr hat der aus Fürth stammende Ingenieur Wolfgang Böhm (28) dazu gebraucht, um das raffinierte Teil am Lehrstuhl von Prof. Dr. Marion Merklein zu entwickeln. Die Herstellung der Formteile dauert hingegen nur Sekunden. Möglich machen es leistungsfähige Maschinen wie die 400 Tonnen kräftige Presse in der Entwicklungshalle 3, Merkleins Reich.

Bei der Langen Nacht der Wissenschaften Ende Oktober gehörte die Halle zu den Publikumsmagneten. An der Presse wurden Erinnerungsmedaillen geprägt und die Laserschneidemaschine produzierte bizarres Blechspielzeug wie Mäuse und Spinnen. „Immer wieder kommen Firmen mit der Bitte um Neuentwicklungen auf uns zu“, berichtet Merklein. Der Elfenbeinturm einer im eigenen Saft schmorenden Wissenschaft ist den Fürther Forschern fremd. Kontaktpflege zur Wirtschaft ist für sie selbstverständlich geworden. Dass die intelligente Blechverarbeitung dem 500 Jahre alten Gießverfahren endlich Paroli bieten kann, macht Merklein schon ein wenig stolz.

Der Gewichtsersparnis von Bauteilen gilt neben einer Verbesserung der Haltbarkeit ein Hauptaugenmerk der Werkstoffwissenschaftler. Dahinter steht auch das Interesse am Energiesparen. Leichtere Autos zum Beispiel brauchen weniger Sprit.

Die Platzkapazitäten für das Technikum am ehemaligen Grundigstandort Uferstadt sind mittlerweile nahezu erschöpft. Das ebenfalls hier angesiedelte Materialprüfzentrum des Fraunhofer-Institus für integrierte Schaltungen ist, wie berichtet, zur Expansion bereits in den Golfpark auf dem alten Flugplatz Atzenhof umgezogen. Neben der bereits errichteten Testhalle im Großformat entsteht hier für 23 Millionen Euro ein neues Institut.

 

Keine Kommentare