Herde mit 300 Tieren

Wo Osterlämmer aufwachsen: Besuch beim Schäfer in Stein

16.4.2017, 10:00 Uhr
Noch sind die Schafe der Familie Röhn im Stall am Ortsrand von Loch untergebracht. Anfang Mai geht es wieder auf die Weide. Dann dürfte auch das wenige Stunden alte Lamm, das der Schäfer in den Armen hält, so kräftig sein, dass es den Anschluss an die Herde nicht verliert. Falls doch, sorgt Siggie Röhn als Nachhut dafür, dass das Jungtier nicht verloren geht.

© Hans-Joachim Winckler Noch sind die Schafe der Familie Röhn im Stall am Ortsrand von Loch untergebracht. Anfang Mai geht es wieder auf die Weide. Dann dürfte auch das wenige Stunden alte Lamm, das der Schäfer in den Armen hält, so kräftig sein, dass es den Anschluss an die Herde nicht verliert. Falls doch, sorgt Siggie Röhn als Nachhut dafür, dass das Jungtier nicht verloren geht.

Als fünf-, sechsjähriger Bub hat Manfred Röhn die ersten zwei Flaschen-Lämmer mit auf den elterlichen Hof in Lind gebracht. Sehr zu Mamas Ärger, wie sich der 59-Jährige erinnert. "Wie’s halt so ist als Kind, die ersten zwei Wochen hab’ ich’s noch selbst getränkt, dann blieben sie an der Mutter hängen." Den Schafen ist Röhn trotzdem treu geblieben. Mit 16 hatte er 20 Tiere. Er hat sie verkauft und sich sein erstes Moped für das Geld angeschafft, um gleich die nächste Herde aufzubauen.

Heute ist sie auf sechs Böcke und 290 bis 300 Mutterschafe angewachsen, mindestens eben so viele Lämmer werden übers Jahr geboren. Seine Herde ist die größte im Landkreis, wo derzeit laut Landratsamt 907 Schafe, davon 725 Mutter- und Zuchttiere bei 52 Haltern leben.

Manfred Röhn hat die Schafe samt Stallung neben dem Locher Hof, in den er eingeheiratet hat, vor etwa 20 Jahren vom Vorbesitzer übernommen. Der wollte sich eigentlich nicht mehr blicken lassen, nachdem er zu seiner Lebensgefährtin in die Nähe von Heilsbronn gezogen war. "Doch nach zwei Wochen war er wieder da und hat gesagt, geh’ zu Manfred, ich hüt’ Dir die Schafe weiter."

Vom Schafvirus infiziert

Manfred Röhn weiß genau, warum: "Das ist der Schafvirus, wenn Dich der mal gepackt hat, lässt er Dich nicht mehr los. Will ich meine Ruhe", sagt er, "geh’ ich zu den Schafen." Vor allem lange Sommerabende genießt er in Gesellschaft seiner Tiere. Tagsüber ist es mit der Stille nicht weit her. "All’ Driet kommt a anderer und waaft Dich voll, außer wenn’s regnet und schneit, dann hast’ Deine Ruh’."

Noch steht die Herde unter Dach. Im Gegensatz zu dem zweiten Schäfer, der im Fürther Land noch hutet – Thomas Wüst aus Fürth-Vach – und seine Schafe das ganze Jahr über im Freien auf Fürths Flussauen oder am Hainberg hält, treiben die Röhns ihre Schafe in den Stall, wenn die Temperaturen eisig werden.

Gerade wurden Drillinge geboren

Die Tiere, die zu Ostern geschlachtet werden, sind in der Zeit vor Weihnachten geboren. Die frisch gelammten Schafe hingegen sind nur Haut und Knochen. Sie drängen sich in Extra-Boxen langbeinig und wacklig an ihre Mütter. Vor ein paar Stunden sind Drillinge geboren. Fünf bis sechs Mal im Jahr ufert das Mutterglück der Röhn-Herde derart aus, das braucht Unterstützung von Menschenhand.

"Trotzdem ist es eine Seltenheit, dass wir alle drei durchbringen", berichtet Röhn. Dann muss Schwiegertochter Verena ran, sie nimmt sich der Problemkinder an und tränkt sie mit der Flasche. Dem Lamm, das sich den Vorderfuß gebrochen hat, hat sie fachmännisch einen Gips verpasst. "Der kann jetzt wieder runter, das müsste verheilt sein", meint Röhn mit Blick auf den knallrot umwickelten Gips.

Dankeschön an die Landwirte

Rechtzeitig, damit das junge Schaf Anfang Mai mit ins Freie kann, auf eigenen Flächen der Röhns im Wiesengrund bei Loch. Die Streuobstwiesen am Fabergut kann der Schäfer auch beweiden. Manchmal dürfen seine Tiere brachliegendes Bauland abgrasen, doch Weideflächen sind im dicht besiedelten Fürther Landkreis generell rar. "Der Landkreis wird zu intensiv genutzt, hier gibt’s eher eine Hundewiese als Weidefläche für Schafe", klagt er.

Siggi Röhn mit eines seiner Lämmer.

Siggi Röhn mit eines seiner Lämmer.

Was nicht bedeutet, dass die Röhns keine Hundefreunde wären. Beim Schafehüten sind Hunde unverzichtbare Helfer, die Röhns haben mit vier Tieren ein kleines Rudel. Ab Oktober, November, wenn die Felder abgeerntet sind, kann Röhn das Weiderecht auf den Äckern der anderen Landwirte nutzen. Dann treiben Schäfer und Hunde die Herde von Loch über Sichersdorf und Anwanden bis zum Kraftwerk bei Gebersdorf. Gattin Siggie Röhn macht die Vor- und Nachhut, warnt Autofahrer, wenn die Herde über die Straße muss, und sammelt zurückgebliebene Lämmer ein. Als Dankeschön an die Landwirte, die ihre Felder huten lassen, gibt’s einmal im Jahr eine Einladung zum Betz’nessen.

Bei allem Aufwand geht es hauptsächlich um das Lammfleisch, für die Wolle bräuchten die Röhns kein einziges Schaf halten. Als sie die Herde vor etwa 20 Jahren übernommen haben, bekamen sie noch fünf Mark fürs Kilo Wolle. "Heute krieg’ ich, wenn ich Glück hab’, 1,20 Euro, und das reicht dann, um den Schafscherer zu bezahlen", sagt Röhn.

Lammfleisch ist gefragt

Er setzt auf die Fleischproduktion und damit auf Merino-Schafe, die 80 bis 90 Kilogramm auf die Waage bringen. Aber auch einige der vom Aussterben bedrohten Coburger Fuchsschafe, die zur Landschaftspflege gezüchtet wurden und mit 50 Kilo ungleich leichter bleiben sowie ein paar Heidschnucken leben in der Herde.

Mit dem Fleisch ist noch am ehesten was verdient. Fürs Kilo verlangt er 7,50 Euro, 18 bis 20 Kilo hat ein schlachtreifes Lamm, "das ist dann schon ein schönes Geld", sagt der Schäfer. Geschlachtet wird nur auf Bestellung, unter anderem für die Lohbauers, Direktvermarkter mit Hofladen in Gutzberg. "Bei uns geht Lammfleisch mittlerweile ganz gut", berichtet Holger Lohbauer vom vorösterlichen Absatz in seiner Hofmetzgerei.

Holger Lohbauer selbst schüttelt’s bei dem Gedanken, Lammfleisch auf den Teller zu bekommen. Er wuchs in einer Zeit auf, als es bei der Fleischproduktion noch um Masse ging und Schafe erst auf die Schlachtbank kamen, wenn sie ausgewachsen waren. "Das waren richtig alte Hammel, freilich hat ihr Fleisch dann diesen Schafgeschmack gehabt. Darunter hat das Image des Fleisches massiv gelitten. Aber das zarte, feinfaserige Lammfleisch ist davon weit entfernt", erklärt Siggie Röhn. Und es findet zusehends Liebhaber.

"Alles hat seine Zeit"

"Mittlerweile können die Lämmer gar nicht schnell genug wachsen", sagt Manfred Röhn. In der Karwoche herrscht Hochbetrieb im hofeigenen Schlachthaus. Dass die putzigen Tiere, Symbol der Friedfertigkeit und Wehrlosigkeit, im zarten Alter von drei bis sechs Monaten ihr Leben lassen müssen, damit haben die Röhns kein Problem: "Einen alten Bock will keiner haben. Freilich sind die Lämmer schön, doch die Leut’ vermenschlichen die Tiere heutzutage. Wir machen unseren Tieren auch alles, aber alles hat auch seine Zeit", sagt die Bäuerin.

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