Wohnstätten der Fabelwesen

17.2.2010, 00:00 Uhr
Wohnstätten der Fabelwesen

© Hans G. Esterl

Sieht man sie so dastehen, sind es hölzerne, fein gearbeitete Skulpturen mit schöner Linienzeichnung. Werden Harald Kienles Werke jedoch angestrahlt und werfen Schatten an die Wand, wird erst richtig deutlich, worum es dem Bildhauer geht: um den Raum zwischen den Flächen, um Umrisse, um das, was im Dunklen bleibt - um unaussprechliche Geheimnisse.

Was im Original wie eine kringelige Apfelschale aussieht oder wie Glieder einer Kette, das mutiert im Schattenriss zu fremdartigen Ur-Tieren. Ein Spiel, mit dem Kinder manche Stunde verbringen, wenn sie ihre Hände vor eine Kerzenflamme halten und Hunde, Vögel, Dinosaurier entstehen lassen. Ähnliches tut auch Kienle, jedoch höchst virtuos. Er erweitert seine Werke in den Raum hinein und macht daraus ein zweidimensionales Bild. Faszinierend, wie ganz andere Elemente in den Fokus rücken, die man vorher «im Groben» nicht bemerkt hatte. Man sieht klarer, trotz schemenhafter Ungenauigkeit. Vielleicht ist das jenes Geheimnis, von dem Kienle spricht.

Hinzu kommen hier die Holzschnitte, die Thomas Mohi auf Ölmalereien druckt. Ihre Formensprache scheint sich haargenau auf die Skulpturen zu beziehen, man entdeckt ähnliche geschwungene Linie und Kringel. Obwohl die beiden im Großraum so überaus renommierten Künstler einander gut kennen, ist das mehr oder minder Zufall. Hier ist einfach ein genial stimmiger Wurf gelungen.

Stimmungsvolles Licht

Auch bei Mohi stehen Umrisse im Vordergrund, auch er nutzt Holz als Werkstoff, auch er schwebt irgendwo zwischen zweiter und dritter Dimension. Darum stört es ihn gar nicht, dass Christian Fritsches Galerie in warm flackerndes, stimmungsvolles Kerzenlicht getaucht ist und man die Farben nicht ganz deutlich erkennen kann. Der Mann beschäftigt sich mit Rhythmen und Kompositionen, darum hat Posaunist Ralf Bauer eine Klangcollage zu seinen Werken geschaffen. «Ich will durch ein Bild hindurchführen, als ob es einen Weg darin gäbe. Das Prinzip hat auch Ralf Bauer angewandt», erläutert Mohi.

Dabei verweist er auf filmische Studien über das Betrachten von Bildern; analysiert wurde, auf welchen Teil die meisten Mitmenschen zuerst sehen, wohin die Augen dann wandern. Ergebnis: Die Spuren des Blickes gleichen einander oft, das Bild gibt sie vor. Leuchtet die Taschenlampe den Ausschnitt eines Mohi-Werkes an, wird es zur riesengroßen, eigenen Welt. Und plötzlich wohnen darin die Traumtiere und Fabelwesen aus Kienles Skulpturen. Sehr sehens- und empfehlenswert. CLAUDIA SCHULLER

«Clarus Dankui Parere»: Galerie in der Promenade (Königswarterstraße 62), montags, mittwochs und freitags 10-17 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel. 70 66 60. Bis Ende April.