Wohnungsbau verdrängt in Fürth Handwerksbetriebe

22.6.2017, 06:00 Uhr
Wohnungsbau verdrängt in Fürth Handwerksbetriebe

© Hans-Joachim Winckler

Die schlechte Nachricht erreichte Stefan Schöniger kurz vor Weihnachten. Das Grundstück an der Herrnstraße, auf dem die Familie seit 1998 eine Kfz-Werkstatt betreibt und das sie selbst gerne erworben hätte, war ihr "vor der Nase weggekauft" worden, wie Schöniger bitter sagt. Er selbst sei nicht gefragt worden.

Zum Jahresende muss der 39-Jährige das Gelände räumen, weil dort ein Parkhaus entsteht. Es wird benötigt, weil derselbe Investor auf der benachbarten Brache einen mehrstöckigen Gebäudekomplex plant mit einem Lebensmittelvollsortimenter im Erdgeschoss, einer Kindertagesstätte im ersten Stock und Wohnungen in den Etagen zwei bis fünf.

Schöniger ist nur ein Beispiel von vielen. Der Lackierer Milinkovic in der Balbiererstraße gibt Ende Juni auf. Der Grund: geplante Wohnbebauung. Die Autowerkstatt Tetik in der Karolinenstraße steht ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft: "Das Grundstück wurde verkauft, es sollen Wohnungen gebaut werden, wir wissen aber noch nicht wann", erzählt Betreiber Serkan Tetik auf FN-Anfrage. Sollte es so weit kommen, werde er sich beruflich umorientieren. Einen mühsamen Neustart anderswo im Stadtgebiet will er nicht wagen.

Auch in der Friedenstraße am Prater wird in drei Jahren niemand mehr an Autos schrauben. Immerhin: Vor rund zehn Jahren hatte Kfz-Meister Rosenfeld seinen Pachtvertrag noch einmal bis 2020 verlängern dürfen, dann ist er 65 und geht in Rente. Seine Werkstatt macht anschließend Platz für neue Wohnungen.

Es scheint ein Trend zu sein: Anfang Mai veröffentlichte die Welt einen Artikel mit der Überschrift "Wenn die Werkstatt der Eigentumswohnung weichen muss". Kernaussage: Kleinere Handwerksbetriebe würden in vielen Städten zunehmend durch den Wohnungsbau verdrängt.

Die Fürther Kreishandwerkerschaft sieht darin eine bedenkliche Entwicklung, fühlt sich aber machtlos. "Kleine Mittelständler haben gegen die Großen keine Chance", sagt der stellvertretende Kreishandwerksmeister Heinz Hufnagel. Bauträger könnten beim Geschacher um Grundstücke deutlich mehr bieten. Die Frage, die sich ihm stellt: Wie kann die Stadt kleine Betriebe unterstützen?

"Wir brauchen ja Wohnungen"

Eine Patentlösung, betont Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller, gibt es nicht. Zumal die Nachfrage in Sachen Wohnraum ungebrochen sei, der Raum aber zunehmend knapper wird. "Da werden Preise geboten, die waren vor zehn Jahren undenkbar", pflichtet Baureferent Joachim Krauße bei. Auch er sagt: "Wir brauchen ja Wohnungen." Gerade in der Innenstadt sei es illusorisch zu glauben, das Rathaus könne Eigentümern allgemein das Baurecht für Wohnungen entziehen, um Handwerksbetriebe zu schützen. Es bleibe der Stadt deshalb vor einer Baugenehmigung nicht erspart, "jeden Einzelfall" zu prüfen. Nur neue Gewerbegebiete könnten eine grundsätzliche Entlastung bringen.

Das Areal an der Herrnstraße nachzuverdichten, sei die richtige Entscheidung im Sinn der Stadtentwicklung gewesen, findet Horst Müller, der beteuert, kleinere Betriebe seien für ihn genauso von Bedeutung wie die großen. Das Wirtschaftsreferat versuche daher, jedem Einzelnen zu helfen. Der Kfz-Werkstatt Schöniger beispielsweise vermittelte das Rathaus eine neue Fläche in einem Burgfarrnbacher Industriegebiet.

Stefan Schöniger wird sich dort nach dem Umzug eine neue Existenz aufbauen, auch wenn er mit seinem Betrieb viel lieber in der Südstadt geblieben wäre, wo er seine Stammkunden hat, aber keinen neuen Standort finden konnte. Er hofft, dass ihm möglichst viele Kunden treu bleiben. "Wichtig war aber für mich, überhaupt etwas zu haben", sagt er. Ende Dezember muss er das Areal an der Herrnstraße verlassen haben.

 

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