Y wie Yesil

3.9.2012, 22:00 Uhr
Y wie Yesil

© Thomas Scherer

„Ist das wirklich unser Kind?“, haben sich Fatma und Ayhan Yesil immer wieder gefragt. Im November und Dezember des vergangenen Jahres stand die 8-Jährige vor der Kamera, gelöst und voll konzentriert. Sie kannte alle Texte, hielt es in einer Szene stundenlang im Krankenhausbett aus. „Blüte der Jahreszeit“ heißt der Film, den Regisseur Ali Levent Üngör in Teilen in Fürth drehte. Schon der Trailer zeigt Sude, die an der Hand ihrer Film-Mutter Feriah Ecem Calik an der Rednitz entlang geht. Auch der Hardsteg, die Waldstraße und das Klinikum sind zu sehen.

Durch Zufall kam es dazu, dass Sude mitspielt. Ayhan Yesil hörte, dass ein Kind für eine Filmrolle gesucht wurde – und stellte seine Tochter vor. „Ich habe das Drehbuch schon gelesen, aber so richtig nicht“, gesteht der Vater. Worum es geht? Um eine junge Türkin, die in den 60er Jahren nach Deutschland verheiratet wird. Statt des versprochenen, sorglosen Lebens erwartet sie hier ein gewalttätiger Ehemann. Einer, der Frau und Kind prügelt. Am Ende wird sogar eine Frau erschossen. Harter Stoff, gerade für ein Kind.

Aber Sude hat ihre Rolle bravourös gemeistert. Bei der Aufführung von „Blüte der Jahreszeit“ im Rahmen des Filmfestivals Türkei-Deutschland in Nürnberg hat sie die 600 Erwachsenen im Saal sogar aufgerufen, „bitte haut die Frauen nicht“. Zwischen bekannten Schauspielern, Regisseuren und wichtigen Politikern, darunter die türkische Generalkonsulin

und ein Parlamentarier aus Ankara, bewegte sie sich mit großer Natürlichkeit.

Ein türkischer Fernsehsender hat über „das türkische Kind aus Fürth“ berichtet, Tageszeitungen wie Hürriet, Sabah und Türkye widmeten ihm und dem Film balkenbreite Schlagzeilen. Stolz zeigt Ayhan Bilder der Dreharbeiten, die er auf seinem Smartphone gespeichert hat. Sude beim Vorsprechen, Sude im Glitzerkleid beim Empfang – und er selbst mit Regisseur vorm eigenen Geschäft.

Das ist eine ganz andere Erfolgsstory. 1999 eröffnete Ayhan Yesil – 1974 in Fürth geboren, Helene-Lange-Gymnasiast und dann Lehrling im Geschenkartikel-Laden seines Vaters – sein erstes eigenes Geschäft. Auf 15 Quadratmetern in der Hirschenstraße. Schon damals war es der Mobilfunk: „Ich war selbst daran interessiert.“ Den richtigen Riecher hatte er auch, denn um die Jahrtausendwende vollzog sich der dramatische Entwicklungssprung von Internet und mobiler Kommunikation. „Mannesmann, Viag Intercom, O2, Handy, Smartphones und Tablets – ich habe alles miterlebt“, sagt Ayhan Yesil.

2003 zog er in die Schwabacher Straße um, nannte seinen Laden Vatan. Heißt auf Türkisch Heimat. Die besucht der 38-Jährige ab und zu, sein Herz aber schlägt in und für Fürth. Ein paar Meter weiter Richtung Rathaus hat er einen O2-Shop eröffnet, außerdem gibt es zwei weitere Läden in Nürnberg-Mögeldorf und in Ansbach.

Sechs bis acht Angestellte beraten nicht nur türkische Kunden, mit seiner Lehrberechtigung bildet Ayhan Yesil Azubis als Verkäufer und Einzelhandelskaufleute aus. 2005 wurde er unter die zehn besten Händler in Deutschland gewählt. Gerade denkt er über den nächsten Coup nach: eine eigene Prepaid-Karte. Das alles unter einen Hut zu kriegen, sagt Ayhan Yesil, ist „ein bissl Kopfsache. Ich versuche, entspannt zu sein“

Die Schule geht vor

Neben der Arbeit verlangt auch die Familie ihr Recht. Ehefrau Fatma, mit der er seit 17 Jahren verheiratet ist, der 14-jährige Sohn Mehmet und Sude, die „kleine Prinzessin“. Ist ihr die Berühmtheit zu Kopf gestiegen? „Sie will unbedingt Schauspielerin werden. Aber wir machen ihr schon klar, dass die Schule im Moment das Wichtigste ist“, sagt Ayhan Yesil.

Damit das schöne Kind sein neues Hobby pflegen kann, wird es in ein paar Wochen bei der türkischen Theatergruppe „Objektif Sahne“ in der Nachbarstadt Nürnberg einsteigen. Kleinere Rollen, das können sich die Eltern vorstellen.

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