Z wie Zwickl

4.9.2012, 19:00 Uhr
Z wie Zwickl

© Gabi Pfeiffer

Reimund Fick nennt sich selber so. „Hallo Werner, hier ist der Zwickl“, spricht er ins Handy. „Ist der Gerdi da?“ Der Zwickl hat Urlaub und gute Laune dazu. Abends will er mit Freunden grillen, die Sonne scheint, der aufblasbare Swimmingpool ist einladend gefüllt.

Nach dem Ursprung für Spitznamen zu suchen, ähnelt einem Köpfer ins kühle Blau. Manche leiten sich schlicht von Nachnamen ab, andere deuten auf Gewohnheiten — oder werden von einer Generation zur anderen übertragen. Einen Spitznamen sucht sich keiner selber, immer wird er verpasst. Die Freunde geben ihn als Zeichen kumpelhafter Anerkennung, die Feinde nutzen ihn als Werkzeug der Demütigung.

Der Zwickl hat seinen Namen einem besonders emotionalen Moment zu verdanken. Bei einem Schulausflug hatte er seine letzten 20 Pfennig Taschengeld in einen Spielautomaten geworfen — und heraus purzelte ein Zwickel. Ein Zwei-Mark-Stück pures Glück. Rund 40 Jahre ist das her. „Nicht alle Bekannten wissen, wie ich wirklich heiße“, sagt Reimund Fick. Nicht dass der Software-Ingenieur, der Programme für die Sparkassen schreibt, übertriebenen Wert darauf legen würde.

Mit 15 Jahren trat er in die Schülerverbindung Absolvia Fürth am Hardenberg ein, wählte auch hier „Zwickl“ als Kneipen- oder Biernamen. Diese Namen fungierten auch als Decknamen — denn bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Schülerverbindungen streng verboten. Wer als zugehörig aufflog, konnte von der Schule verwiesen werden. Das zugehörige Brauchtum hat sich erhalten.

Reimund Fick und sein Freund Gerhard kennen sich schon 32 Jahre lang. „Er war schon immer der Zwickl“, sagt er und zuckt die Schultern. Als Klassensprecher, in der Zeit als Personalrats- und Betriebsratsvorsitzender in seiner Firma. „Der Wiedererkennungswert ist hoch, auch bei Klassentreffen“, schmunzelt der Zwickl. Ein Name, den man sich merken kann.

Bei anderen sind die Spitznamen aus der Kindheit und Jugend längst vergessen. Vielleicht, weil die Lebenszusammenhänge loser werden und Ausbildung, Studium und Jobwechsel oder der Umzug in eine andere Stadt heutige Menschen aus dem gewohnten in ein neues Umfeld betten. Wer sich mit dem eigenen Namen dort vorstellt, lässt den Spitznamen zurück.

Warum ausgerechnet bei ihm sich der Zwickl gehalten hat, darüber kann Reimund Fick nur spekulieren. Er ist weiter in der Schülerverbindung aktiv und stellt sich bei Neuen „Reimund. Oder sag Zwickl zu mir“ vor. Auch auf den Bändern mit den geschnörkelten Abzeichen, die die Absolvia-Mitglieder mit Freunden tauschen, ist bei ihm „Zwickl“ eingraviert.

Und dann erst das Zwickl-Bier! Ungespundet, nicht filtriert, jung und süffig – wie der erste Schluck des Braumeisters. Irgend so was muss Zwickl bedeuten, vermutet Reimund Fick. Gut, dass Freund Martin ein Sixpack mitbringt. Der Zwickl, so ist auf der Verpackung zu lesen, bezeichnet das Holzstück mit dem das Fass nach einer Probennahme wieder verschlossen wurde. „Das leuchtet mir ein“, sagt der Zwickl.

Dass er mit echtem Namen Fick heißt, sagt er, habe die Pubertät zu „keiner einfachen Phase“ gemacht. Zumal er selbst damals noch schüchtern war und nicht gut kontern konnte. 20 Jahre später musste er eine Zeitlang Schüleranrufe aushalten und viel Gegiggel. Alles ist vorüber.

Weder die Lebensgefährtin noch Bruder und Schwester übrigens haben je „Zwickl“ zu ihrem Reimund gesagt. Und wenn er zweimal im Jahr auf Kreuzfahrt geht, dann sprechen ihn neue Bekannte auf dem Schiff auch mit „Du“ und „Reimund“ an. Am Nordkap, in der Ostsee und im Mittelmeer ist dann eben ausgezwicklt.

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