Zeichen gesetzt

17.10.2014, 21:39 Uhr
Zeichen gesetzt

© Foto: Sabine Rempe

Tausende von Abc-Schützen tun es gerade wieder. Sie arbeiten sich mühsam durchs Alphabet, versuchen, aus Buchstaben Wörter zu basteln. Wer es kann, wird automatisch alles lesen, was ihm vor die Augen kommt – es sei denn, Sarah Erath funkt dazwischen.

Die 34-Jährige macht Texte zu Teilen von Objekten. Buchstaben wandeln sich zu Ornamenten, Zeichen mutieren zu Bildern. Ihre aktuellen Arbeiten, die sie jetzt beim Zirndorfer Kunstverein zeigt, setzen auf eine durchdachte Idee und die spielt konsequent mit dem Blick hinter vordergründige Gewissheiten.

Geradlinigkeit ist ein Stichwort, das Eraths Arbeitsweise prägt. Sie findet ihren Ausdruck mit einer beispielhaften Reduzierung auf das, was sich rasch als wesentlich erweist. Auf den Besucher wartet zum Beispiel ihre Installation mit dem Titel „angerichtet“. Auf den ersten Blick könnte das schlicht ein filigraner Tisch mit einer Spitzendecke sein.

Geschnittene Wörter

Die Arbeit aus Baustahl und Wachstuch, in das mit Laserschnitt Wörter eingebracht wurden, steht allerdings im denkbar größten Gegensatz zu ihrer feingliedrigen Erscheinung. Als schwerwiegend entpuppt sich rasch, welche Gedanken die Künstlerin bewegten: Auf subtile Art hat sie hier nämlich ihren Beitrag zu den allgegenwärtigen Lebensmittelskandalen unserer Tage aufgetischt.

So diffizil wie nachdrücklich sind auch die anderen Arbeiten, die mit nach Zirndorf gekommen sind. Immer wieder erscheinen Buchstaben, die ihrer gewohnten Zeichenhaftigkeit entkleidet wurden. Angeordnet als Figurengruppen bilden sie eben keinen Text, formen keinen Inhalt, der sich auf die uns vertraute Weise entziffern ließe. Das verstört, weil es die Aufmerksamkeit des Betrachters fordert. Unwillkürlich beginnt die Suche nach Deutung, nach Sinngebung.

Prägnante Klarheit

Ein reizvoller Vorgang, der weit über das übliche Lesen und Verstehen hinausgeht, weil plötzlich eben nichts mehr selbstverständlich ist. Überaus attraktiv wird das Schauen andererseits durch die Klarheit, die Eraths Objekte prägt. Äußerst exakt sind dank Laserschnitt die herausgenommenen oder eingebrannten Linien. Ausgelotet und minutiös ausgerichtet ist die Position jedes Details ihrer Objekte, die auf frappierende Weise den Eindruck erwecken, genau im rechten Lot zu sein.

Sarah Eraths Ausstellung vereint diese schlüssige Ästhetik mit einer dezenten Lust an Spielerei. Wie zufällig lehnt etwa „rain“ an einer Wand. Soll das Objekt, das eine gleichmäßig angeordnete Folge von ausgeschnittenen Regentropfen auf einer lackierten MDF-Platte zeigt, noch aufgehängt werden? Selbstverständlich nicht. Dank der leicht schrägen Lagen kann der Schatten mitmischen, auf seine Weise Akzente setzen und dabei ganz beiläufig die Fläche ins Dreidimensionale führen. Die Künstlerin, die in Tübingen zur Welt kam und bei Thomas Hartmann und Ottmar Hörl an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studierte, verzichtet in der Galerie Pinder Park auf Farbe.

Schwarz und Weiß bilden hier aber keinen harten Kontrast. Das passt vorbildlich zu der Art, mit der Sarah Erath Einblicke in ihre Intuitionen erlaubt. Deutende Sichtweisen sind möglich, doch nirgendwo wird Lenkung und Beharren spürbar.

Stattdessen warten Entdeckungen. Da wäre zum Beispiel die „Pfütze“. Ein 1,90 Meter langes Objekt, von Hand geschnitten aus durchsichtiger Folie. Wer es erkennt im Raum, hat sorgfältig geschaut. Und doch wird er es kaum je in seiner Gänze erfassen können. Denn schon wieder sind Licht und Schatten im Spiel und sorgen dafür, dass nichts bleibt, wie es scheint.

„Text_ung“ , eine Ausstellung der Gesellschaft für Museum und Kunst Zirndorf, Im Pinder Park 7, ist bis 29. November zu sehen. www.kunstverein-zirndorf.de

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