Zirndorf ohne Gustav Adolf

31.5.2011, 09:00 Uhr
Zirndorf ohne Gustav Adolf

© Anton

„Gemächlich schwebt die Zeit hin über die Länder, niemals vermag sie dem heimatlichen Boden seine Lieblichkeit zu rauben. (...) Jenseits der alten Veste mit ihren Steinbrüchen und ihren dunklen Tannen, dehnt sich der fränkische Gau seit Urandenken als eine weite, breite, friedliche, fruchtbare Ebene, wo das Korn gedeiht und die Kartoffel gedeiht und der Mohn blüht und die weiße Rübe reift“, so schrieb der damals 24-jährige Fürther Schriftsteller Jakob Wassermann 1897 in seinem Roman „Die Juden von Zirndorf“.

Große Berühmtheit hat er der Stadt damit allerdings nicht gebracht. Dafür hatten schon über 200 Jahre vorher zwei andere gesorgt: Während des Dreißigjährigen Krieges, als sich an der Alten Veste 1632 die Heerscharen des Schwedenkönigs Gustav Adolf und des kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein gegenüberlagen, rückte Zirndorf „in den Mittelpunkt des Weltgeschehens“ – wie es auf der Internetseite der Stadt heißt.

Nach dem Abzug der beiden Heere war der Ort gebrandschatzt, die Namen Gustav Adolf und Albrecht von Wallenstein aber blieben bis heute fest mit der Stadt und ihrer Geschichte verbunden.

Für Hans Feulner, Historiker und Hobbystadtführer aus Weiherhof, ein Grund, einen historischen Altstadtspaziergang ausdrücklich „ohne Gustav Adolf“ zu unternehmen – und stattdessen zum Beispiel an Jakob Wassermann und das jüdische Zirndorf zu erinnern. Denn dass mitten in Zirndorf eine Synagoge steht, das wissen selbst viele Einheimische nicht.

Aus Rücksicht auf die naheliegende Brauerei, so der Historiker, habe der damalige Bürgermeister dafür gesorgt, dass das jüdische Gotteshaus in der Reichspogromnacht 1938, als in ganz Nazideutschland Synagogen zerstört wurden, nicht angezündet wurde. „Wenn die Synagoge gebrannt hätte, wäre auch die Brauerei, die 1674 als hochfürstliches Brauhaus durch den Markgrafen Johann Friedrich von Ansbach gegründet worden war, von den Flammen bedroht gewesen.“

Stein statt Davidstern

Heute wird das ehemalige Gotteshaus als Wohnhaus genutzt, an dem es aber noch einige Hinweise auf seinen früheren Zweck gibt. Offensichtlich ist die Gedenktafel, die „an alle im Ersten Weltkrieg gefallenen und während des NS-Regimes ums Leben gekommenen jüdischen Mitbürger der Stadt Zirndorf“ erinnert. „Viele der Zirndorfer Juden hatten im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft“, erklärt Feulner. „Deshalb hatten sie vergeblich gehofft, von den Nationalsozialisten verschont zu werden.“ Wer genauer hinsieht, erkennt noch mehr Spuren an der ehemaligen Synagoge. Etwa einen runden Stein in der Ostwand, genau dort, wo einst der Davidstern hing.

Doch nicht nur über die Synagoge, auch über die evangelische St.-Rochus-Kirche weiß der Historiker etwas zu berichten. Das Gotteshaus hatte zunächst zwei Schutzpatrone: den Heiligen Clemens und den Heiligen Blasius, zwei römische Märtyrer. Als aber ab 1348 Europa von mehreren Pestepidemien heimgesucht wurde, wollten die Zirndorfer ihre Kirche nach dem Heiligen Rochus benennen, der einst selbst während einer Pilgerfahrt an der Pest erkrankte, sie aber überlebte und deswegen als Pestheiliger gilt. „Es war kirchenrechtlich nicht so einfach, sich von den alten Schutzheiligen zu lösen“, so Feulner. „Dafür musste die Altarplatte entfernt werden, denn darin wohnten der damaligen Vorstellung nach die Schutzheiligen.“

Im Jahr 1510, als die Kirche erweitert wurde, geschah dies. St. Rochus wurde zum Patron. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 hätten einige Patrioten die Kirche gerne ein weiteres Mal umbenannt, erzählt der Historiker. Aber der Heilige Georg, der unter anderem gegen Kriegsgefahren und für Soldaten zuständig ist, erhielt seinen Platz dann doch vor der Kirche, wo er bis heute das Kriegerdenkmal ziert.

Und dann wäre da noch die Frage nach den gezogenen Zähnen im Jahr 1792, als die Zirndorfer preußische Untertanen wurden. Die Lösung liegt bei Markgraf Karl Alexander, der mit seiner Geliebten nach England auswanderte. Die Markgrafschaft Ansbach inklusive Zirndorf verkaufte er an Preußen. Die jungen Zirndorfer Männer fürchteten den Militärdienst in der berüchtigten Armee.

Die Preußen hatten für ihre Infanteriegewehre den Vorläufer der späteren Patronen entwickelt, ein Säckchen aus Pergamentpapier, in dem sich das Pulver befand. Da die Soldaten mit einer Hand das Gewehr hielten, wurden diese Säckchen mit der anderen Hand festgehalten und mit den Zähnen aufgerissen. Der Weg zum Bader, der die Zähne zog, schien eine sichere Methode, sich untauglich zu machen. Ob es genützt hat, so Feulner, das sei nicht überliefert. Die Herrschaft der Preußen dauerte ja ohnehin in Zirndorf nicht lange. 1806 wurde Zirndorf bayerisch.