Zirndorf: Verschlimmbesserung auf Kosten der Anwohner?

28.8.2016, 06:00 Uhr
Zirndorf: Verschlimmbesserung auf Kosten der Anwohner?

© Foto: Michael Müller

Das Bauamt habe die Neugestaltung im Alleingang geplant und die Interessen derjenigen, die das Sanierungsprojekt über Straßenausbaubeiträge mitfinanzieren müssen, völlig ignoriert, sagen Doris und Volker Eberlein. 2005 hat das Arzt-Ehepaar am Steinweg die gemeinsame Praxis bezogen. Direkt vor der Tür ist ein Behindertenparkplatz ausgewiesen. Wer nicht gut zu Fuß ist, gelangt ebenerdig über einen Aufzug in die Praxis im ersten Stock. Doch der Parkplatz ist gestrichen, er soll auf das Rathaus-Parkareal vis-à-vis wandern.

Bisher beidseits mit Gehwegen ausgestattet, erhält die Straße auf der Seite des Ärztehauses einen Gehsteig, die Parkplätze werden auf die Fahrbahnseite am Rathaus verlegt. Angesichts der zusehends schlechteren Hausarztversorgung würde Allgemeinmedizinern in anderen Städte der rote Teppich ausgerollt, „hier in Zirndorf legt man uns Steine in den Weg“, ärgern sich die Allgemeinmediziner.

Und die Herrleinstraße ist jetzt Einbahnstraße, nach zweieinhalb Monaten Bauzeit ist sie seit Mitte August nur noch Richtung Grundschule befahrbar. In der Straße sitzt die Firma Helpi, mit der Jochen Felbinger THW, Feuerwehr und Polizei in ganz Deutschland und darüber hinaus mit allem versorgt, was sie im Einsatz brauchen. Bei der Planung des neuen, schräg gegenüberliegenden Kinderhauses, unkt er, habe man wohl vergessen, dass Kinder auch gebracht werden und das in den meisten Fällen im Auto. Er sieht sich mit dem Ausbaukonzept in seiner Tätigkeit behindert.

Vor seiner Tür herrsche reger Warenverkehr, nahezu täglich komme ein Laster vorbei, um an- oder abzuliefern. Nach dem Ausbau auf nur noch eine Spur würden die Laster die Durchfahrt in der Straße für die Dauer des Ladevorgangs komplett blockieren, meint Felbinger.

Warum, fragt er sich, habe die Kommune in Zeiten knapper Stadtkasse die Straße nicht einfach belassen können, wie sie war? „Struktur und Charakter haben gepasst. Und ein Sicherheitsproblem hatten wir bisher auch nicht.“ Jetzt müssten die Lkw über die Spitzkehre in den Steinweg oder Richtung Bahnhofstraße und damit an der Grundschule vorbei abfahren. Was der Sicherheit der Schüler sicher nicht zuträglich sei.

Einen Gehsteig gibt es inzwischen nur noch auf der Seite des Kinderhauses, der dafür opulente 1,70 Meter breit ist. Auf angrenzenden Kurzzeitparkplätzen können Eltern jetzt direkt vorm Eingang der Kita parken oder ihre Kinder auf der Beifahrerseite des Autos aussteigen lassen. Weiter einen Gegenverkehr zuzulassen, wie es sich Felbinger gewünscht hätte, ließ die Breite der vielbefahrenen Straße nicht zu, erklärt Stadtbaumeister Gerhard Klein auf Nachfrage. Kaputt, wie von Bauamtsseite ins Feld geführt, ist die Straße nach Ansicht der Anlieger indes nicht gewesen, „das wurde sie, als die Stadt im Vorjahr den Kanal sanierte“, so Doris Eberlein. Als Angehörige der Familie, der fast das komplette Areal im Dreieck zwischen Schützen-, Herrleinstraße und Steinweg gehört — hier war bis 1996 die Spielwarenfabrik Bolz ihrer Familie angesiedelt –, muss sie den etwa 625 000 Euro teuren Ausbau über Ausbaubeiträge mitfinanzieren.

Die Infoveranstaltung für Anlieger Anfang Mai bezeichnet Felbinger rückblickend als „Farce“: „Unter dem Deckmäntelchen der Bürgerbeteiligung wurde uns ein fertiger Plan vorgelegt und mit Verweis auf das Ja der Stadträte jede unserer Anregungen vom Tisch gewischt“. Das enge Zeitkorsett, bereits sechs Wochen später war Baustart, habe gar nicht zugelassen, „sich vernünftig damit auseinanderzusetzen“, moniert er unisono mit den Eberleins.

Zeit, mit den Anliegern über deren Wünsche zu reden, wäre nach Felbingers Meinung genug gewesen, war die Sanierung der Straßenzüge doch bereits im Haushalt 2015 eingeplant. „Stattdessen fand null Kommunikation statt“, klagt Volker Eberlein. „Hier wird für viel Geld die Situation verschlechtert, und die Anlieger müssen das auch noch mitbezahlen, das ist bitter“, findet Felbinger.

Ganz anders sieht das Stadtbaumeister Klein: Der Oberbau der Straßen „war weder verkehrssicher, noch waren sie vernünftig gestaltet“. Aus den 1960er Jahren und älter entsprächen sie in keinster Weise mehr heutigen Anforderungen. Der Vollausbau sei überfällig gewesen, zumal Untersuchungen des Kanalnetzes im Vorjahr akuten Handlungsbedarf offenbarten. Marode Rohre mussten teils komplett erneuert werden. Eine unterirdische Inliner-Sanierung schied somit aus.

„Wir haben hier Geschäftsstraßen und die verlangen eine übersichtliche und eindeutige Verkehrsführung“, die Klein bis dato nicht gegeben sieht: Die Planung sei im Bauausschuss mehrheitlich beschlossen worden. „So funktioniert mittelbare Demokratie und da können wir nicht jeden einzelnen Bürger fragen, ob ihm das gefällt“, so Klein. Und: „Wir planen für die Allgemeinheit und für die Sicherheit.“

Den Behindertenparkplatz sieht er auf dem Parkplatz am Rathaus, fünf Meter weiter von der Eingangstür der Arztpraxis gelegen, weit besser platziert. Hier müsse der Fahrer nicht mehr in den Straßenraum und damit in den fließenden Verkehr aussteigen. Bordsteinkanten wird es auf dem Weg dazwischen nicht geben. Das gesamte Areal wird bis Ende des Jahres niveaugleich und barrierefrei ausgebaut.

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