Zivilcourage in Bus und Bahn

7.8.2014, 21:00 Uhr
Zivilcourage in Bus und Bahn

© Foto: Brigitte Riemann

Kurz nach Schulschluss in der U-Bahn. Erschöpft lässt sich ein Schüler auf einen freien Sitz fallen, seine Füße legt er genüsslich auf die Bank gegenüber. Ein anderer beißt hungrig in seine Laugenbreze, Brösel und Salzkörner rieseln auf Boden und Sitz. Weiter hinten spielen ein paar Nachwuchs-Götzes mit dem Schulrucksack eines Mitschülers Fußball.

Rund 50 000 Schüler und Schülerinnen sind täglich in der Metropolregion mit Bussen und Bahnen unterwegs. Die beschriebenen Szenen sind keine Seltenheit. Außerdem kommt es immer wieder zu Gedrängel und Rangeleien. Damit diese Konflikte nicht eskalieren und es womöglich zu Verletzungen oder Sachbeschädigungen kommt, wurde 2002 das „Coolrider“-Projekt ins Leben gerufen. Inzwischen hat es bayernweit Schule gemacht, über 3500 Coolrider sind bereits in Bussen und Bahnen unterwegs.

Nach dem Motto „Hinschauen statt Wegschauen“ lernen Schüler, wie und wann sie in kritischen Situationen eingreifen können und sollen. Zwei Zirndorfer Polizeibeamte erklärten rechtliche Grundlagen: Was ist Sachbeschädigung? Was bedeutet Notwehr, was unterlassene Hilfeleistung? Zwei Trainerinnen der ÖPNV-Akademie und ein Lehrer der Mittelschule übernahmen den praktischen Ausbildungsteil. Themen wie Gesprächsführung, Körpersprache, Erkennen kritischer Situationen, sicheres Auftreten, Denken in Handlungsalternativen, Mediation und Deeskalationstraining standen auf dem Stundenplan.

Fahrer hat weniger Stress

Zum Schuljahresende überreichten Schulleiter Wilfried Brehm und Bürgermeisterin Sandra Hauber Ausweise und Teilnahme-Urkunden. Auch an der Zirndorfer Realschule waren kürzlich die ersten Coolrider ausstaffiert worden. „Wenn wir in den Bus steigen, zeigen wir dem Fahrer jetzt immer unseren Ausweis, damit er weiß, dass ein Coolrider mitfährt“, erklärt Tatiana aus der 7a, „dann hat er weniger Stress und kann sich aufs Fahren konzentrieren.“ Tatiana und ihre Mitschüler waren von Anfang an begeistert dabei. „Das hat total Spaß gemacht! Vor allem der ,Real-Live-Tag‘ war richtig spannend.“

An diesem Tag mussten die zukünftigen Coolrider ihr in Rollenspielen, Vorträgen und Diskussionsrunden erarbeitetes Know-how unter Beweis stellen. Von 9 bis 13 Uhr fuhren sie in der Nürnberger U-Bahn mit — und waren zunächst mächtig aufgeregt. „Viele haben sich erst nicht getraut, aber dann ist irgendwann der Knoten geplatzt“, meint Coolrider Valeria aus der 7a.

An diesem Tag haben sie auch erfahren, dass nicht alle Fälle gelöst werden können. So ließ sich eine ältere Frau „von irgend so einem Teenager“ nicht das Essen verbieten und pöbelte die Mädchen lautstark an. Was ist in so einem Fall zu tun? „Nicht persönlich nehmen und es nicht eskalieren lassen. Auf keinen Fall dürfen wir uns in Gefahr bringen“, sagt Laura, ebenfalls aus der 7a.

In den meisten Fällen waren die frischgebackenen Coolrider aber erfolgreich: „Da sind viele von euch regelrecht über sich hinaus gewachsen“, lobte Axel Ernst vom Verein „Coolriderfreunde“, der die Ausbildung mit betreute, „das ist ein positiver Nebeneffekt eurer Ausbildung: Ihr seid jetzt viel selbstsicherer, mutiger und echte Teamplayer.“ Auch Trainerin Alexandra Hein war begeistert von den Zirndorfer Coolrider-Absolventen: „Klasse, wie schnell ihr das Gelernte umsetzen könnt.“

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