Zurück zur Waffe: Fürths erste Bundeswehrrekruten

20.4.2017, 11:00 Uhr
Zurück zur Waffe: Fürths erste Bundeswehrrekruten

© Archivfoto: Mandelsloh

Die Frisur sitzt, der dunkle Mantel ebenfalls. Mit seinem Köfferchen wartet Richard Eckstein, 19 Jahre jung, am Hauptbahnhof auf den Zug, der ihn zur Kaserne bringen soll. Neben ihm wippen vier Dutzend weitere junge Männer ungeduldig mit den Füßen oder ziehen nervös an einer Zigarette.

Zurück zur Waffe: Fürths erste Bundeswehrrekruten

60 Jahre ist es her, dass die Bundeswehr die ersten Wehrpflichtigen, Jahrgang 1937, eingezogen hat. Richard Eckstein verliert über die Details des Aufbruchs nicht mehr viele Worte. Viele Erinnerungen seien verblasst, sagt er. Genauere Eindrücke vom Bahnsteig sind einem Zeitungsartikel zu verdanken:

"Unauffällig standen die Rekruten, wie bereit zu einer Urlaubsreise nach Italien, zu dritt oder viert in der Reihe der Wartenden, ein Gespräch wollte nicht in Gang kommen. Zu sehr schienen die jungen Burschen mit sich selbst beschäftigt, vielleicht mit der Frage, was sie wohl in den nächsten 24 Stunden erwartet, ob sie sich überhaupt in das Soldatenmilieu einleben werden."

Zurück zur Waffe: Fürths erste Bundeswehrrekruten

Richard Eckstein gelang das problemlos. Die Frage, ob er gern zur Bundeswehr ging, lässt er trocken abtropfen: "Wir mussten ja." Als Kind hatte er den Zweiten Weltkrieg erlebt, trotzdem verschwendete er keinen Gedanken daran, den Dienst an der Waffe zu verweigern. Soldat zu sein, war für ihn nichts Ungewöhnliches. Der Vater trug Uniform, der Großvater ebenfalls. Zwei Onkel fielen im Krieg. Der Gedanke, dass er womöglich als Wehrpflichtiger selbst mit dem Gewehr in der Hand den Sowjets oder ostdeutschen Landsmännern gegenübertreten müsste, schreckte ihn nicht.

 

"Sang- und klanglos nahmen die Fürther Wehrpflichtigen für zwölf Monate Abschied von ihrer Stadt. Keine Musikkapelle spielte, nicht einmal Eltern, Geschwister, geschweige denn Freunde hatten sich auf dem Bahnsteig eingefunden."

 

Na ja, greift Richard Eckstein korrigierend ein. Die Eltern seien schon zum Bahnhof mitgekommen, aber eben nicht bis zum Bahnsteig. Auf den habe man damals nämlich nur mit einer gültigen Fahrkarte gedurft. Vor seiner Einberufung hatte er Installateur gelernt. Beim Bund erwartete ihn ein Lohn von zwei Mark täglich. "Das war nicht mehr als ein Taschengeld." Eigentlich wollte Eckstein in einem U-Boot Dienst tun. Bei der Musterung hieß es jedoch, mit seinen 1,80 Meter sei er zu groß. Für den Panzer ebenso. Also sollten es die Pioniere in Dillingen an der Donau sein.

"Plötzlich kam Leben in die kleinen Gruppen. Der eine fuhr sich noch einmal mit der Hand über das tadellos geschnittene Haar, ein anderer warf schnell noch einen Blick auf die Uhr, der dritte fühlte noch einmal nach seiner Brieftasche. Es war so weit: Es begann eine Fahrt für sie, die an einem Kasernentor endete, in einer soldatischen Gemeinschaft, die es übernommen hat, das deutsche Volk vor Aggressionen zu schützen und gegen Feinde zu verteidigen."

 

Als Pionier lernte Eckstein, Sperren zu errichten, Hindernisse zu sprengen und Pontonbrücken zu bauen. Unter den hochrangigen Offizieren, erinnert sich der Fürther, waren nicht wenige "vom Adolf", wie er es sagt. Der Drill war hart. Es wurde viel gesungen, vor allem beim Marschieren. Hatten sie frei, ging es abends in Zivil in die Kneipen der Stadt. Der Zusammenhalt, sagt Eckstein, war bestens.

Dass Deutschland die Wehrpflicht inzwischen abgeschafft hat, hält er für einen Fehler. Eine Berufsarmee ziehe nicht immer die richtigen Leute an. Mit einem Kameraden aus Fürth ist er vor wenigen Tagen spontan nach Dillingen aufgebrochen, um sich am alten Standort umzusehen. Obwohl sie sich nicht angemeldet hatten, durften sie aufs Gelände und sogar einen Blick in ihre "Buden" werfen.

Was Richard Eckstein sah, gefiel ihm nicht. In seinem alten Zimmer waren die Betten nicht gemacht, Kleidung lag auf dem Boden. "Hätten wir uns so verhalten, hätten die uns so geschliffen, wir wären heute noch nicht raus." Außerdem habe ein Soldat seinen Vorgesetzten geduzt, merkt Eckstein kritisch an und schlussfolgert, Disziplin und Ordnung seien heute mangelhaft. Ein weiteres Beispiel: Dass Soldaten einen Bart tragen, habe es früher nur in Ausnahmefällen gegeben, etwa bei einem Kameraden, der unter einer Flechte litt.

Wie es in seiner Dienstzeit zuging, verdeutlicht Eckstein mit einer Anekdote: Als er in den Urlaub wollte, ließ ihn sein Vorgesetzter zunächst nicht ziehen – die eigentlich recht kurzen Haare waren dem Offizier zu lang. "Sie schädigen das Ansehen der Bundeswehr", musste sich Rekrut Eckstein anhören – und ließ sich die Haare stutzen, bevor er erneut um seinen Urlaubsschein bat.

Trotz allem verlängerte er seinen Dienst um weitere sechs Monate. Es sei es eine schöne Zeit gewesen, sagt er. "Ich möchte sie nicht missen."

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