"Geheimdienstmethoden": Wirbel um Polizeigesetz in Bayern

17.2.2018, 05:49 Uhr

© Susann Prautsch/dpa

Diesen Ausdruck haben wohl die wenigsten Menschen im aktiven Wortschatz: Richtervorbehalt. Das bedeutet, dass ein Richter staatliche Maßnahmen wie Aufenthaltsverbote oder Telefonüberwachung absegnen muss.

Mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz für Bayern will die CSU dieses Instrument vereinfachen. So kann die Polizei laut neuem Gesetz einen Bürger zwingen, seinen Wohnort nicht zu verlassen oder auch den Wohnort zu wechseln, ohne dass ein Gericht diese Zwangsmaßnahmen prüft. Der Betroffene muss erst einmal klagen, dass ihn ein Gericht hört.

Neue Befugnisse sollen die Ermittler auch bekommen, um unbemerkt zu filmen oder Gespräche aufzunehmen. Hier sprechen Kritiker von "Geheimdienstmethoden". Tatsächlich soll der Austausch von Daten zwischen den Diensten — Verfassungsschutz der Länder und des Bundes, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst — und der Polizei intensiviert werden. Auch der Zugriff auf Daten wird erleichtert. Laut Gesetzentwurf darf die Polizei in Informationssysteme und Speicher (Clouds) eindringen, Daten kopieren oder löschen. Auch an die riesigen Datenmengen von Google oder Apple ist gedacht: Sie sollen beim Instrument der Rasterfahndung helfen.

Herrmann sieht Gewinn an Sicherheit

Auch der Vorbeugegewahrsam wird neu geregelt. Bisher war es möglich, etwa renitente Fußballfans vor möglicher Randale maximal zwei Wochen lang wegzusperren — nach richterlicher Genehmigung. Jetzt soll der Zeitraum auf drei Monate ausgeweitet werden. Zwar wird der Betroffene vom Richter angehört, aber er hat keinen Strafverteidiger und muss aus der Zelle heraus seine Unschuld beweisen.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht in den neuen Befugnissen der Polizei einen Gewinn an Sicherheit. Islamische Terroristen und politische Extremisten hat er dabei im Visier. Bei solchen Bedrohungen ist bisher meist von einer "abstrakten Gefährdung" die Rede. Jetzt geht es um "drohende Gefahren", bei denen die Polizei etwa mit Fußfesseln einschreiten darf.

Datenschutzbeauftragter Thomas Petri hat schon mal Bedenken angemeldet. Hintergrund sind auch neue Techniken bei der Gesichtserkennung. Herrmann will etwa bei öffentlichen Versammlungen präventiv filmen lassen und das Material mit vorhandene Daten abgleichen lassen. Das ist bisher nur möglich, wenn es konkret um Straftaten geht. Fürs Innenministerium geht es darum, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Körperkameras bei Polizeieinsätzen zu schaffen.

Die "drohende Gefahr" soll auch ganz andere Eingriffe in Grundrechte ermöglichen. Das Postgeheimnis ist in solchen Fällen aufgehoben. Verdeckte Ermittler oder Spitzel dürfen sich unter falschem Namen im Netz tummeln. Richter werden nur in Ausnahmefällen benötigt.

Neuerungen auch bei der Nutzung der DNA: Aus biologischem Fundmaterial dürfen Forensiker in Deutschland bisher nur das Geschlecht der Person herauslesen, von der es stammte, und eine Art genetischen Fingerabdruck bestimmen – an Stellen im Erbgut, die als "nicht codierend" gelten, also keine Informationen etwa über das Aussehen liefern.

Expertenkommission soll bewerten 

Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Guido Wolf, hat beim Bundesrat den "Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material" eingereicht. Abgesehen vom Geschlecht, sollen aus Tatortspuren in Zukunft auch das biologische Alter sowie äußerliche Merkmale abgefragt werden dürfen: Augen-, Haar- und Hautfarbe. In Bayern wünscht man sich obendrein, die biogeografische Herkunft eines Menschen ermitteln zu können.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sieht mit dem Gesetzentwurf, "an mehreren Stellen alle Stoppschilder, die die Verfassung aufstellt" überfahren. SPD-Rechtsexperte Franz Schindler stört sich an dem "Ausbau eines Präventivstaates" auf Kosten der Bürgerrechte. Eine Expertenkommission soll nun die Vorschläge bewerten.

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