Gericht billigt Windrad-Abstände - Energiewende gekippt?

9.5.2016, 19:45 Uhr
Gericht billigt Windrad-Abstände - Energiewende gekippt?

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die von der CSU durchgesetzten Mindestabstände von Windrädern zu Wohnbebauung für zulässig erklärt - und damit neuen Streit über die Energiewende ausgelöst. Das höchste bayerische Gericht wies am Montag mehrere Klagen unter anderem der Landtags-Opposition zurück. Damit bleibt es also bei den massiven Einschränkungen für den Bau von Windkraftanlagen, die seit Februar 2014 in Bayern gelten. Seither muss der Abstand eines Windrads zur nächsten Siedlung mindestens das Zehnfache ("10H") der Bauhöhe betragen - wobei Gemeinden eine Abweichung von der Regel beschließen können. Bei modernen 200-Meter-Windkraftanlagen sind das also zwei Kilometer.

Durch die Festlegung eines höheren Mindestabstands werde der räumliche Anwendungsbereich für Windkraftanlagen zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht beseitigt, sagte Gerichtspräsident Peter Küspert in der Urteilsbegründung. Die Verfassungsrichter argumentierten so: Je niedriger neue Windräder sind, desto mehr Fläche gibt es dafür und desto mehr können nach wie vor gebaut werden - auch wenn diese nicht so rentabel sind. Es sei aber nicht auf die bestmögliche Ausnutzung der technischen Möglichkeiten abzustellen, entschied das Gericht. Es komme allein darauf an, ob ein sinnvoller Anwendungsbereich für die Windkraft verbleibe - und da dürften Windkraftanlagen unter 200 Meter Höhe nicht außer Betracht bleiben.

Regierung begrüßt Urteil

Die Verfassungsrichter folgten also nicht der Argumentation der Kläger, mit der "10H"-Regelung werde der Neubau von Windkraftanlagen praktisch unmöglich gemacht. Faktisch allerdings ging der Windkraftausbau infolge der Regelung in Bayern drastisch zurück.

Staatsregierung und Landtags-CSU begrüßten den Urteilspruch, die Opposition reagierte enttäuscht und entsetzt - und warf der CSU umso schärfer vor, der Energiewende in Bayern den Garaus zu machen.

"Ein energiepolitischer Amoklauf bleibt ein energiepolitischer Amoklauf, auch wenn er rechtlich zulässig ist", sagte Grünen-Landeschef Eike Hallitzky über die 10H-Regelung. Der politische Kampf werde nun härter werden. "Die Grünen werden weiterhin alle politisch möglichen Wege nutzen, um für den Klimaschutz und gegen unsinnige Blockadegesetze zu kämpfen."

Die SPD-Energieexpertin Natascha Kohnen sagte über die Folgen des Urteils, nun sei "Feierabend" mit der Windkraft in Bayern. Und auch Thorsten Glauber (Freie Wähler) sagte voraus, es werde nun keinen substanziellen Ausbau der Windkraft im Freistaat mehr geben. Er sprach von einem rabenschwarzen Tag für die Energiewende in Bayern.

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte dagegen, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs schaffe Rechtssicherheit. "'10H' trifft eine gemeinwohlverträgliche Abwägung zwischen unseren energiepolitischen Zielen und den lokalen Interessen", betonte sie. "Wenn vor Ort Konsens besteht, können Windenergieanlagen auch näher an Wohngebäuden gebaut werden. So gestalten wir die Energiewende im Einvernehmen mit den Bürgern." Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Josef Zellmeier, sagte: "Wir haben den politischen Spielraum ausgenutzt, aber nicht überschritten." Und Bayern liege bei der Energiewende gut im Rennen.

Gericht rüffelt CSU

Lediglich eine Regelung im "10H"-Gesetz erklärte das Gericht für verfassungswidrig und für nichtig: die Verpflichtung für Gemeinden, die geringere Mindestabstände durchsetzen wollen, auf eine einvernehmliche Lösung mit den Nachbargemeinden hinzuwirken. Hier habe der Freistaat seine Gesetzgebungsbefugnis überschritten.

Einen höchstrichterliche Rüffel handelte sich die CSU zudem für ihr Agieren im Landtag ein: Dort hatte die CSU eine von der Opposition geforderte zweite Expertenanhörung noch vor der Verabschiedung des Gesetzes verweigert. Damit dürfte die CSU gegen die damals gültige Geschäftsordnung des Landtags verstoßen haben, sagte Küspert.

Der Bundesverband Windenergie erklärte über das von Staatsregierung und CSU durchgesetzte 10H-Gesetz: "Auch wenn ihr Tun rechtlich nicht anstößig gewesen sein soll, so ist und bleibt es doch politisch fatal." Bayern bleibe damit von der Energiewende abgeschnitten und müsse durch Windparks in anderen Bundesländern, auf Nord- und Ostsee mit Strom versorgt werden. Die Forderung bleibe: "10H muss weg."

Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) forderte die Kommunen auf, ihre rechtlichen Möglichkeiten für einen sinnvollen, natur- und landschaftsschutzverträglichen Ausbau der Windkraft zu nutzen. "Wir werden weiter mit allen politischen Mitteln gegen diese Energiewende-Verhinderungs-Politik der bayerischen Staatsregierung und der CSU ankämpfen", sagte der BN-Vorsitzende Hubert Weiger.

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