Getreidesorte für extreme Bedingungen kommt aus Franken

8.8.2018, 05:57 Uhr
Getreidesorte für extreme Bedingungen kommt aus Franken

© Foto: Saatzucht Breun

"Wir schauen, dass wir möglichst alle Krankheiten, die es so gibt, auf unseren Feldern haben", sagt Ludwig Ramgraber, der bei Saatzucht Breun für die Zucht neuer Winterweizen-Sorten verantwortlich ist. Nur wenn alle Pilze und Viren auf den Feldern grassieren, können die Züchter erkennen, welche Sorten dagegen resistent sind.

Deshalb werden neben den Neuzüchtungen auch alte Sorten angebaut, bei denen mit großer Zuverlässigkeit alle relevanten Krankheiten auftreten. "Früher waren das natürlich mal gute Sorten. Aber die Krankheiten verändern sich ständig, deshalb muss man dauernd neue Sorten züchten", verdeutlicht Ramgraber.

Zehn Jahre dauert es, bis eine neue Winterweizen-Sorte vom Bundessortenamt zugelassen wird. Zehn Jahre, in denen ständig weiter selektiert wird, nachdem am Anfang 400 unterschiedliche Kreuzungen als Basis angelegt wurden. Dafür müssen die Pflanzen von Hand bestäubt werden, indem die Ähren mit der Pinzette geöffnet werden, um drei Staubbeutel herauszuzupfen und durch den Pollen der Vaterlinie zu ersetzen.

Mini-Mähdrescher ernten ab

Auf den Feldern wachsen die unterschiedlichen Pflanzen in Parzellen, die jeweils nur wenige Quadratmeter groß sind. Diese werden einzeln von speziellen Mini-Mähdreschern abgeerntet, die Körner in individuell etikettierte Säcke abgefüllt. Mit den Jahren stellt sich heraus, welche Pflanzen resistent gegen Krankheiten sind — und welche vor allem auch Hitze und Trockenheit am besten vertragen.

"In Herzogenaurach ist es sehr häufig trocken. Außerdem haben wir Böden, die Wasser sehr schlecht halten. In diesem Fall ist das ein Standortvorteil. So können wir leichter Sorten züchten, die Trockenheit gut vertragen", meint Ramgraber. Wenn viele heiße, trockene Jahre aufeinanderfolgen, bleiben quasi fast zwangsläufig bei der Selektion die widerstandsfähigsten Sorten übrig.

Lange Wurzeln als Lösung

In diesem Jahr sieht es besonders gut aus für das Unternehmen — obwohl die Weizenernte bereits am 12. Juli statt Anfang August begann. Bei den Landessortenversuchen war die Breun-Kreation "Informer" die ertragreichste Winterweizen-Sorte, kam also am besten mit den extremen Bedingungen zurecht.

Die Sorte hat ausgeprägte Wurzeln und entwickelt nicht viele Halme, aber ein großes Korn — ein wichtiger Faktor bei extremer Trockenheit. "Durch die schlechten Bedingungen in Herzogenaurach sind dort meist Pflanzen mit ausgeprägtem Wurzelwerk am erfolgreichsten — das ist auch die Lösung gegen zunehmende Trockenheit", sagt Ramgraber.

Die Landessortenversuche, die von der Landesanstalt für Landwirtschaft koordiniert werden, sind entscheidend für die Saatgut-Bestellungen der Landwirte. "Obwohl wir dieses Jahr für den Informer 500 Hektar Vermehrungsfläche haben und nächstes Jahr auf 2000 erhöhen, werden wir wohl die Nachfrage nicht komplett abdecken können", glaubt Ramgraber.

Für das Saatzucht-Unternehmen ist es wichtig, immer mal wieder richtige Bestseller zu entwickeln, schließlich kostet die Züchtung einer Sorte etwa eine Million Euro.

Sommergerste wird bis nach Neuseeland geflogen

350 Hektar Fläche hat Breun im weiteren Umfeld des Hauptsitzes in Herzogenaurach. Etwa 70 Hektar davon dienen der Zucht. Die restliche Fläche wird vor allem gebraucht, um schon (oder bald) zugelassene Sorten zu vermehren. Der Austausch der Pflanzen mit weiteren Standorten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ermöglicht es, diese unter unterschiedlichen Bedingungen zu testen. Die Sommergerste wird im Winter sogar nach Neuseeland geflogen und dort ausgesät, um den Entwicklungsprozess zu beschleunigen.

Die besten Sorten sind in der Regel die, die in den zehn Jahren ihrer Entwicklung am meisten erlebt haben, also heiße, trockene Sommer, kühle, feuchte Jahre oder auch harte Winter. Die Pflanzen, die dann am erfolgreichsten sind, kommen mit sehr vielen unterschiedlichen Bedingungen gut zurecht.

"Trockenheitsresistenz kann man noch ganz gut züchten. Hitze ist aber sehr schwierig, da stellt die Pflanze ihre gesamte Physiologie um", verdeutlicht Anja Hanemann, die bei Breun für den Bereich Labor und Forschung verantwortlich ist. Sie versucht, neue Eigenschaften in Pflanzen hineinzubringen, indem sie unangepasste Landsorten, die interessante Eigenschaften aufweisen, mit Hochleistungssorten kreuzt. Bis man diese aber auch zu einem hohen Ertrag entwickelt, kann es lange dauern.

"Die klimatischen Bedingungen für den Getreideanbau werden bei uns schlechter", ist sich Ramgraber sicher. Alternativen gebe es aber kaum, schließlich werde das Getreide für Brot und Bier oder als Schweinefutter benötigt. "Die Erträge werden in Zukunft wohl etwas niedriger werden. Aber neue Sorten können viel abfangen — außer es wird so extrem wie in diesem Jahr. So etwas habe ich noch nie erlebt, so viele heiße Tage gab es auch 1976, 1983, 2003 und 2006 nicht", sagt Ramgraber.

5 Kommentare