Grund- und Mittelschule Bechhofen: Klassenzimmer ade

16.11.2017, 05:56 Uhr
In Bechhofen gibt es Lernlandschaften anstelle von Klassenzimmern

© privat In Bechhofen gibt es Lernlandschaften anstelle von Klassenzimmern

Er galt als Pionier in Sachen Modernes Unterrichten und als Rebell in der bayerischen Schullandschaft: Reinhold Meier leitete die Grund- und Mittelschule Bechhofen 25 Jahre lang und ist im September aus dem aktiven Schuldienst ausgeschieden. Doch so richtig verabschiedet hat sich der Funktionär des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) noch nicht aus seiner Schule.

Es ist Meier zu verdanken, dass die Bechhofener Schule, die für rund acht Millionen Euro saniert wurde, im Untertitel die Bezeichnung Lernwerkstatt trägt. Denn das will diese Schule sein. Ein Ort, an dem getüftelt und experimentiert wird, der Lerninhalte praktisch erfahrbar macht.

Zu Beginn des neuen Schuljahres ist Meier von seinem ehemaligen Vize ausgewechselt worden. Kurt Bräunlein, der acht Jahre Konrektor war, leitet nun die Geschicke und sagt: "Ich und Reinhold Meier waren und sind auf einer Linie, da wird es wenig Veränderung geben."

Macher im Hintergrund

Bräunlein war schon immer der Macher im Hintergrund und wie Meier persönlich daran interessiert, dass sich Schüler und Lehrer im Schulhaus gleichermaßen wohlfühlen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es an der Schule wahlweise von der 1. bis zur 9. Klasse einen gebundenen Ganztag gibt. "Schule ist ein Lebens- und Lernort", erklärt Meier. Die Sinnhaftigkeit des Unterrichts und eine möglichst gute Vorbereitung auf das spätere Berufsleben stünden im Vordergrund.

Die Beziehung zu den Lehrern sei für den Lernerfolg der Schüler ausschlaggebend fährt der ehemalige Rektor fort. Er könne nicht nachvollziehen, "warum sich diese Binsenweisheit nicht längst weiter verbreitet hat". Das fange beim wertschätzenden Umgang von Schülern und Lehrern an und höre beim fächerübergreifenden Unterricht auf.

Was sich fast zu gut anhört, um wahr zu sein, ist bei einem Besuch des neuen Schulhauses in Bechhofen erlebbar. Die Atmosphäre ist alles andere als schultypisch. Das Schulhaus ist offen und lichtdurchflutet, das Inventar gut durchdacht und farbenfroh. Es gibt "Marktplätze", in denen die Schüler zusammenkommen, um  gemeinsam zu lernen. Durch die flexiblen Möbel können sie überall "Lerninseln" bilden oder sich einzeln in einen der  Räume zurückziehen.

Überdies werden in Bechhofen zahlreiche Arbeits- und Neigungsgruppen angeboten. Zum Schulhaus gehören Werkstätten, ein Biotop, ein Schulgarten mit Tipi und zwei Schulhunde.

"Gewinn von Lernraum"

Die Klassenzimmer sind alle einsehbar und verfügen über Schaufensterscheiben mit breiten Fensterbänken zum Draufsitzen. Die Fenster geben den Blick auf den Marktplatz und die umliegenden Räume frei, das schafft Transparenz und ein einziger Pädagoge kann so eine große Gruppe Schüler im Auge behalten. "Ein wesentlicher Vorteil dieser Architektur besteht darin, dass durch den Gewinn von Lernraum die Schüler besser gefördert werden können", sagt Meier.

Vier Jahre lang hat er mit seinem Kollegium an der fast vollständigen Aufhebung der Klassenzimmer gearbeitet. Die Entwicklung der Lernlandschaften hat er gemeinsam mit der Gemeinde Bechofen und einem pädagogischen Fachplanungsbüro auf die Beine gestellt.

Bis zur Umsetzung war es für alle ein steiniger Weg. Denn natürlich waren Meiers innovative Ideen und Unterrichtsmethoden bei seinen Vorgesetzten nicht immer gern gesehen. "Sowohl die Noten, als auch die große Akzeptanz unserer Schüler bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen hat meine Kritiker aber oft besänftigt", sagt Meier. Mittlerweile wollen viele Schulkollegien, Kommunen und Bildungsexperten die Grund- und Mittelschule Bechhofen besichtigen.

Und wer führt sie durchs nagelneue Schulhaus? Reinhold Meier hat drei Wochen nach seiner Verabschiedung als Rektor erneut den Schlüssel fürs Schulhaus bekommen. Und ist darüber alles andere als unglücklich.

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