33-Jähriger soll im Netz mit Drogen gehandelt haben

12.10.2018, 17:26 Uhr
33-Jähriger soll im Netz mit Drogen gehandelt haben

© Arne Dedert, dpa

Die Staatsanwaltschaft Ansbach wirft ihm vor, über 31 Kilo Amphetamin, 2,5 Kilo Haschisch und über 23 000 Ecstasy-Tabletten auf diesem Weg veräußert zu haben. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung wurde beim Angeklagten im Juli 2017 neben diversen Betäubungsmitteln zudem eine Marihuana-Plantage gefunden. Seitdem sitzt Holger K. (Name geändert) in Untersuchungshaft.

Nein, die Unschuld vom Land sind sie nicht. Obwohl sie so ausschauen. Er, leicht füllig, mit sauber geschnittener Kurzhaar-Frisur, bordeaux-rotes Hemd, Jeans. Sie, eine blonde junge Frau, Mutter einer kleinen Tochter. Die Haare halblang, enge Jeans, rosa Bluse, schwarz-weiß gestreifte modische Strickjacke, schwarze Stiefeletten. Alles in allem geben sie das Bild einer jungen Familie voller Hoffnung und Träume ab. Wenn da nicht die über vierseitige Anklageschrift wäre, die Staatsanwalt Thees Struthoff zu Beginn der Hauptverhandlung vorträgt. Hierin wird penibel aufgeführt, wann zu welchem Zeitpunkt und was genau Holger K. im Internet bestellt und anschließend verkauft hat. "Im Einzelnen handelt es sich um insgesamt 1217 Fälle", sagt der Staatsanwalt. Neben den "klassischen" Drogen wie Kokain und Haschisch wechselten auch Psycho-Pillen wie LSD, Ketamin oder Amphetamine, die dem Nutzer ein künstliches Gefühl der Zuversicht und Energie vorgaukeln sollen, den Besitzer. In genau 1161 Fällen verkaufte und versendete der Angeklagte diese Drogen, so Struthoff.

Angeblich ahnungslos

Da die beiden Verteidiger Dr. Wolfgang Staudinger und Christian Zimmermann von der Kanzlei Meyerhuber in Gunzenhausen für ihre Mandanten erklären, dass diese aussagen wollen, kann der Vorsitzende Richter und Vizepräsident am Landgericht, Claus Körner, zu allererst die Ehefrau Sabine S. (Name geändert) fragen, ob sie denn von den Drogengeschäften ihres Mannes etwas mitbekam. "Ich wusste nichts von den Geschäften", sagt sie mit leiser Stimme. Und was glaubte sie, was in den vielen Päckchen und Paketen war, die die beiden regelmäßig und meist gemeinsam bei diversen Postfilialen in der Region abholten? "Babysachen", meint sie. Immerhin gibt sie zu, dass ihr Mann selbst zu Drogen griff und sie ihn ein- bis zweimal dabei erwischte.

Im August 2016 zogen die Eheleute in einen renovierungsbedürftigen Bauernhof mit Nebengebäuden, und seitdem werkelten die beiden Arbeitslosen an dem erworbenen Anwesen herum. Da reifte in Holger K. die verhängnisvolle Idee, mit Drogen das Leben und die Baustelle zu finanzieren.

Der Richter ermahnt die junge Frau: "Sie können alles abstreiten, riskieren aber dadurch eine Freiheitsstrafe". Das sitzt. Nach der Mittagspause erklärt ihr Verteidiger Zimmermann, dass seine Mandantin "billigend in Kauf genommen hat", dass es sich doch um Drogen gehandelt hat, die der Ehemann hinter verschlossenen Türen verpackte und verschickte. Der Verteidiger von Holger K. teilt mit, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft richtig seien. Das erleichtert die Beweisaufnahme.

In fünf prall gefüllten Leitz-Ordnern ist die polizeiliche Ermittlungsarbeit genauestens protokolliert. "Kommissar Zufall" wollte es, so Hauptermittler Kriminalkommissar Alexander Fritsche vom Drogen-Kommissariat K4 der Ansbacher Kripo, dass alles aufflog. Eine Sendung aus Dortmund ins Fränkische Seenland wurde abgefangen, und heraus kam "ein richtig großer Fisch". Es hört sich an wie ein spannender Krimi, war aber Teil einer umfangreichen, monatelangen Ermittlung. Beim Besuch bei den Kollegen in Dortmund wurde das wahre Ausmaß erkannt. Danach wurden die späteren Angeklagten observiert, wie sie in einer Dittenheimer Bäckerei mit Postfiliale versuchten, eine Paketsendung abzuholen. Die Bäckereifachangestellte war in Wirklichkeit eine Kripobeamtin, verdeckte Ermittlung nennen das die Fachleute. Als die beiden Verdächtigen den Laden ohne Paket verließen, "bin ich gefolgt und habe mir das Kennzeichen ihres Autos notiert", berichtet der Beamte dem Gericht.

Dann das gleiche Spiel noch einmal, diesmal in Absberg. Auch hier eine Bäckerei mit integrierter Postfiliale. Auch hier ein staatsanwaltlich genehmigter "Undercover-Einsatz". Und hier endlich klickten die Handschellen. Festnahme. Hausdurchsuchung und die Erkenntnis der Kripoleute: "Das wird was Größeres." Zwei Laptops, zahlreiche Mobiltelefone, säckeweise Etiketten-Aufkleber, hunderte gefütterte Umschläge für den Versand wurden sichergestellt, und zu guter Letzt in einem Nebengebäude eine Presse, mit der man Ecstasy-Tabletten herstellen kann.

Holger K. ging geplant und systematisch vor. Er wusste, was er tat, ist verboten, ist eine Straftat. "Er ist alles andere als dumm", so Kommissar Fritsche. Der Angeklagte kaufte gefälschte Personalausweise, legte sich Alias-Namen zu, verschleierte, wo es nur ging, seine wahre Identität. Insgesamt konnten 1350 Bilddateien sichergestellt werden, auf denen zweifelsfrei zu erkennen war, an wen und was verschickt worden ist. "Insgesamt haben wir 1100 Sendungsnummern gefunden", hören die Richter von dem Zeugen.

Auf verschlüsselten und geheimnisvollen Wegen im Darknet fand IT-Forensiker Fabian Unucka aus München schließlich das, was Marcel T. feilbot: eine Verkaufsplattform mit dem schönen Namen "Best-Cats-Drugstore". Hier "vertickte" er alles, was es so gibt und womit sich die junge Familie ihren Lebensunterhalt verdiente. Über 300 000 Euro an Einzahlungen konnten ermittelt werden. Über die Internet-Währung Bitcoins und verschlungene Wege zu Direktbanken in Frankfurt fügte sich bei den Ermittlungen ein Puzzleteil ins andere. Ein großer Teil des Geldes bleibt verschwunden, und es ist "teilweise nicht mehr nachvollziehbar", was daraus geworden ist. Sachverständiger Dr. Dieter Härtl attestiert in seinem psychiatrischen Gutachten im Übrigen dem Angeklagten die volle Schuldfähigkeit.

Eine Welt brach zusammen

Bei der überraschenden Festnahme knickte Holger K. völlig ein. Er hatte nie damit gerechnet, dass er auffliegen würde. "Er saß am Boden, völlig in Tränen aufgelöst und hat sich bei seinen beiden Hunden entschuldigt", sagt der Polizist aus. Es war ein sehr emotionales Erlebnis. Alles prasselte jetzt auf die beiden Eheleute ein. Festnahme und U-Haft für den Hauptangeklagten, Hausnotverkauf durch die Ehefrau. Jetzt wohnt sie in der Nähe von München, der Hauptwohnsitz von Holger K. ist die JVA Ansbach.

Am Ende des ersten, langen Verhandlungstags umarmen sich die Eheleute, schauen sich lang und stumm in die Augen, dann werden Holger K. Handschellen angelegt. In einer Woche soll das Urteil gesprochen werden.