75 Jahre im Dienste eines Naturdenkmals

10.9.2015, 16:00 Uhr
75 Jahre im Dienste eines Naturdenkmals

Es plätschert im Moment ein bisschen leiser als sonst, an der Steinernen Rinne bei Wolfsbronn, im Wald von Eduard Völklein. Schuld ist der trockene Sommer, der zuletzt deutlich weniger Wasser fließen ließ als normalerweise. Im Frühjahr oder in Regenperioden rauschen schon mal sechs bis acht Liter Wasser pro Sekunde die Rinne herunter, das ist dann wiederum zu viel für den kleinen Kanal. Dann muss Völklein das Wasser über die Seiten ableiten.

Die Steinerne Rinne ist ein Naturschauspiel, aber eines, das auf viel Handarbeit basiert. Und die Hände, die die Rinne seit inzwischen 75 Jahren formen und pflegen, gehören Eduard Völklein. Alles begann 1940, der Zweite Weltkrieg hatte gerade begonnen, die meisten Männer waren zur Front eingezogen worden. Völklein erinnert sich noch gut an diese Zeiten, als er und seine fünf Geschwister kräftig auf dem Hof mithelfen mussten, die Wiesen und Felder zu bewirtschaften. „Wir Kinder hatten in der Zeit kein Spielzeug und haben uns mit der Natur beschäftigt“, erzählt Völklein: „Mich hat’s immer rausgezogen in den Wald.“

Der kleine, damals zehnjährige Eduard wurde in den Forst geschickt, um Heilkräuter zu sammeln. An der Stelle, wo das Wasser heute aus dem Berg kommt, fand er einen verkarsteten Stein, ein kleines Überbleibsel einer früheren Rinne. Eduard war ein Kind, das fasziniert war von der Natur und das von seinem Vater schon viel über den Wald gelernt hatte. Deshalb wusste er auch, was zu tun ist.

Das Wasser geht immer den Weg des geringsten Widerstandes, deshalb lief es fächerförmig an den unterschiedlichsten Stellen den Berg hinunter. Unterhalb des Berges bildete sich dadurch ein Sumpfgebiet. Der kleine Eduard begann damit, das Wasser wieder auf den Kalktuffstein umzuleiten. Dazu hob er mit einer Harke kleine Gräben aus und führte das Wasser auf einer Länge von rund 40 Metern zu einem Rinnsal zusammen. So wurde er zum Geburtshelfer der Steinernen Rinne.

Denn die fing nun an, sich zu bilden, weil im Wald bei Wolfsbronn alle Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das Regenwasser durchsickert den Kalkstein des Weißjura und wäscht dabei das Gestein aus. Wenn das Wasser dann wieder ans Tageslicht kommt, findet eine Reduktion statt: Durch die Bewegung reichert sich das Nass mit Sauerstoff an, Kohlendioxid wird entzogen, der Kalk setzt sich dadurch am Boden ab und bindet sich an organische Substanzen wie etwa Algen. Dafür ist Bewegung notwendig, für diese sorgt das Gefälle, das das Wasser den Berg herunterfließen lässt. Anstatt sich in den Berg hineinzugraben, wächst das Bachbett in die Höhe, an seiner Seite wachsen Moose. Völklein baut Stolpersteine ein, damit das Wasser in Bewegung bleibt. Dann spritzt es und versorgt so das Moos mit Wasser.

Innerhalb von ein paar Jahren verlängerte Völklein die Strecke der Rinne auf 80 Meter – heute umfasst das Naturschauspiel sogar etwa 120 Meter Länge. 1964 wurde das Gebiet um die Rinne auf Betreiben von Landrat Hans-Georg Klauss schließlich zum Naturschutzgebiet erklärt. Denn die Besucher gingen nicht immer pfleglich mit der Kalkröhre um – und tun dies teilweise auch heute noch nicht. Manche klettern einfach auf der Rinne herum; warum, das lässt sich nicht genau sagen, denn einen besseren Ausblick hat man dadurch nicht – dafür wird das Naturschauspiel aber häufig beschädigt, manchmal brechen ganze Stücke davon heraus.

Zum Schutz der Rinne wurden deshalb ein Holzgeländer und ein Weg seitlich der Rinne angelegt, was allerdings auch immer wieder mal beschädigt wird. Zu sehr schimpfen will Völklein darüber aber nicht: „Ich bin froh über jeden anständigen Besucher, und überwiegend sind sie das auch.“

Auch die Waldpflege ist durch das Naturdenkmal nicht ganz einfach, schließlich dürfen Bäume nie so gefällt werden, dass sie auf die Rinne fallen könnten. Über 100 Stunden im Jahr verbringt Völklein mit der Pflege, früher waren es noch mehr. Ohne die Unterstützung seiner Frau und der drei Kinder wäre das nicht möglich gewesen, sagt er. An seinem höchsten Punkt ist das Naturdenkmal 1,60 Meter hoch. Und die Rinne wächst immer noch weiter, jedes Jahr um ein paar Millimeter.

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