Acht Jahre Haft für Dealer aus Gunzenhausen

18.10.2018, 16:29 Uhr
Acht Jahre Haft für Dealer aus Gunzenhausen

© Ulrich Perrey

Es war ein spektakulärer Kriminalfall, den das Drogen-Kommissariat K4 der Ansbacher Kripo in einjähriger mühevoller Kleinarbeit aufdeckte und zur Anklage brachte (wir berichteten). Es war aber auch eine Geschichte voller Träume, Hoffnungen – und gescheiterten Plänen einer jungen Familie.

Im Mittelpunkt stand ein schwungvoller Handel mit Amphetaminen, Ecstasy und Kokain. Letztlich flog der Handel im Darknet auf, weil ein Paket mit 1,5 Kilo Amphetaminen von der Kripo in Dortmund abgefangen wurde. Der Mann wurde observiert und bei einem erneuten Versuch, in einer Absberger Bäckereifiliale das Paket abzuholen, schlugen die Kripoleute zu. Festnahme, Hausdurchsuchung, das volle Programm.

Der zweite Prozesstag beginnt mit einem Paukenschlag: Sabine K. wird freigesprochen. Zwar habe sie von den Drogengeschäften ihres Ehemannes gewusst, so der Vorsitzende Richter Claus Körner, "doch das reicht nicht für eine Strafbemessung". Da auch Staatsanwalt Thees Struthoff nichts einzuwenden hat, erlaubt ihr Richter Körner, die Anklagebank zu verlassen und im Zuhörerraum Platz zu nehmen. Die Erleichterung darüber ist der Mutter einer einjährigen Tochter deutlich anzusehen.

Ganz anders ihr Ehemann: Er muss sich vom Richter seitenlange Gutachten anhören, die ihn als Straftäter überführen. In der von ihm entnommenen Haarprobe wurden zweifelsfrei Kokain und andere Substanzen gefunden. Er lebt derzeit von rund 900 Euro Hartz IV im Monat, hat etwa 25 000 Euro Schulden, die gemeinsame Tochter ist vor fast genau einem Jahr geboren. Am 20. Juli 2017 wurde er festgenommen, er ist nicht vorbestraft.

Staatsanwalt Struthoff warf in seinem Schlussplädoyer dem Angeklagten insgesamt 20 Taten vor, Holger K. habe kiloweise Amphetamine, Kokain und über 23 000 Ecstasy-Tabletten und LSD-Trips über das Darknet verkauft. "Das sind nicht geringe Mengen", meint der Jurist. Zwar habe er mit der Herausgabe des Passworts für seinen Laptop den Ermittlern sehr geholfen und "erheblich zur Aufklärung beigetragen", aber dann fragte er rhetorisch in die Runde: "Was spricht sonst für ihn?"

Keine Schuldeinsicht, keine Reue – und sein Hauptbeweggrund: "Ich verdiene mein Geld mit Drogenhandel im Internet." Das ist gewerbsmäßig, sagt der Ankläger, "und ganz massiv kriminell". Er unterstellte dem Angeklagten, "kein großer Konsument zu sein", und sagte wörtlich: "Sie sind nie drogensüchtig gewesen". Dennoch forderte er zehn Jahre Haft.

Struthoffs Gegenüber ist Strafverteidiger Dr. Wolfgang Staudinger von der Kanzlei Meyerhuber in Gunzenhausen. Er übernahm für Holger K. ein Pflichtmandat, wird also aus der Staatskasse bezahlt. Der Rechtsanwalt hob den Willen seines Mandanten hervor, reinen Tisch zu machen: "Mit seinem Geständnis hat er die Reset-Taste gedrückt", und Staudinger nannte auch die Gründe: die Geburt der Tochter und die dadurch entstandene "extreme Belastung".

"Nicht zielführend"

So war der junge Vater bei der Geburt nicht dabei, er saß bereits in U-Haft. Staudinger hielt sich nicht lange mit allen Einzelheiten der einzelnen Geschäfte ab, sondern fragte vielmehr: Was kommt am Ende raus? Deshalb forderte er eine Gesamtfreiheitsstrafe von nur fünf Jahren. Er kritisierte die Leichtigkeit, mit der man heutzutage Drogen im Internet kaufen könne, und bat deshalb um eine mildere Strafe in einer Therapieanstalt. "Es war definitiv falsch, was mein Mandat gemacht hat", sagte er, "aber eine hohe Haftstrafe ist nicht zielführend".

Holger K. hatte das berühmte "letzte Wort": "Ich entschuldige mich bei meiner Frau und würde mich über eine Therapie freuen", sagte er.

Das Urteil "im Namen des Volkes": acht Jahre inklusive eine Therapie als Drogenkonsument. Fast unbewegt vernahm das Holger K., fast so, als ob er es schon geahnt hatte. Und Richter Claus Körner nahm sich Zeit für die Begründung: Die Höchststrafe liege für eine derartige Straftat bei 15 Jahren, führte er aus, "aber ein Geständnis soll sich bei uns lohnen". So blieb die erste Strafkammer, bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, bei ihrer Bewertung zwei Jahre unter dem, was der Staatsanwalt gefordert hat.

Nicht zu früh freuen

Hart kritisierte er das Verhalten von Holger K.: "Sie haben erst aufgehört, als die Polizei vor der Tür stand." Er solle sich im Übrigen nur nicht zu früh freuen, zur Entziehung in eine forensische Psychiatrie zu kommen, warnte er den Angeklagten: "Die Ärzte kriegen das sehr schnell heraus, wenn Sie denen was vormachen." Dann gehe es sehr schnell in die Strafhaft.

Da beide Parteien zumindest im Gerichtssaal keine Anträge auf Revision gestellt haben, kann davon ausgegangen werden, dass das Urteil rechtskräftig ist.

Das Ehepaar steht noch lange zusammen. Sie streicheln sich, umarmen sich immer wieder, sprechen leise miteinander. Ihre Gesichter sind ganz nah. Ihr Traum vom eigenen Haus für sie und die gemeinsame Tochter ist jäh geplatzt. Der Vater wird erst dann wieder seine Tochter in Freiheit sehen, wenn sie ein Schulkind ist.

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