Arzt aus Muhr am See setzt auf Selbstdisziplin

18.2.2018, 07:03 Uhr
Arzt aus Muhr am See setzt auf Selbstdisziplin

© Fredrik von Erichsen/dpa

Sie haben dauernd mit kranken Menschen zu tun, das liegt bei diesem Beruf ja in der Natur der Sache. Wie gehen Sie mit der ewigen Ansteckungsgefahr um?

Peiffer: Zunächst einmal muss der Hausarzt das tun, was alle Leute tun müssen, damit sie sich nicht anstecken: Das heißt: gesund leben, keine Zigaretten rauchen, wenig Alkohol trinken, das Immunsystem also nicht irgendwie schwächen, sondern dafür sorgen, dass die Abwehrkräfte stark bleiben.

Auf der anderen Seite besteht natürlich die Möglichkeit, dass er sich bedingt durch seinen Beruf früh in der Grippe-"Saison" mit dem Virus infiziert, also soll er auch in dieser Hinsicht besonders aufpassen. Was er da tun kann, ist zunächst einmal die Grippeimpfung, die unbedingt jedem empfohlen werden muss, zumindest für Menschen über 60, weil da eben das Immunsystem schwächer wird und die Grippeerkrankung meistens schwerer verläuft.

Der Arzt soll also die Selbstdisziplin aufbringen, sich zu impfen. Haben Sie es immer wirklich so gehalten? Oder haben Sie mal geschludert?

Peiffer: Nein, heldenhaft selbst reingepikst und zugedrückt, und zwar regelmäßig von Anfang an! Irgendwann gab es mal keine Impfung, aber jetzt gibt es sie schon wieder sehr lange. Und das hat sich auch bewährt, wenn ich es mal selber von mir sagen darf. Ich habe etwa 35 Jahre Praxis gemacht, und ich war einmal vier Tage krank, von Montag bis Donnerstag, und zwar wegen einer erheblichen Grippe. Da ging es nicht mehr, zu arbeiten. Sonst war ich nie krank.

 

Sie haben aber bestimmt miterlebt, dass ein Kranker die Sache vielleicht mal auf die leichte Schulter genommen oder gar ignoriert hat? Bekanntlich hält es mancher Arbeitnehmer so, dass er sich krank zum Arbeitsplatz schleppt, wie jüngst eine neue Studie zeigte.

Peiffer: Da muss man unterscheiden zwischen dem, was man Befindlichkeitsstörungen nennt, was eben mit der Erkältung einhergeht. Man hat einen dicken Kopf, man hat Schnupfen, man hüstelt vielleicht — einerseits. Und auf der anderen Seite gibt es die echte Erkrankung, und die bemerkt man, weil man hohes Fieber hat und sehr schwach ist. Wer dann trotzdem der gewohnten Arbeit nachgeht, der tut nichts Gutes, der riskiert wirklich weitergehende Schäden. Und solche Schäden bei einer richtigen Grippe können sein: Lungenentzündung mit nachfolgenden Komplikationen oder auch eine Entzündung des Herzmuskels, die nicht selten ist und sicherlich gefördert wird, wenn man die Erkrankung nicht genügend ernst nimmt.

 

Arzt aus Muhr am See setzt auf Selbstdisziplin

© Wolfgang Dressler

Sie haben ja in den vielen Jahren die ganze Palette der Krankheitsgrade erlebt — und bestimmt auch die Erwartung von Patienten, dass sie jetzt krankgeschrieben werden oder vielleicht eben nicht. Wie ehrlich muss oder sollte man in dieser Hinsicht sein?

Peiffer: Generell muss man in der Medizin ehrlich sein. Was Ihre Frage betrifft, fasse ich sie so auf, dass der Arzt dem Patienten sagt, du bist jetzt krank und bleibst mal zu Hause, Punkt. Man erlebt durchaus Leute, die sagen, sie wollen nicht krankgeschrieben werden, weil im Beruf ein Auftrag unbedingt in drei Tagen erledigt werden muss und der Chef sonst rotiert. Und in so einem Fall muss der Arzt schon mal deutlich aussprechen: "Das geht jetzt nicht, Sie müssen ins Bett." Und dann war ich sogar bereit, den Chef des Patienten anzurufen und ihm die Lage zu erklären. Das passierte.

Und die andere Seite? Jemand will krankgeschrieben werden, obwohl es ihn nicht sehr hart erwischt hat.

Peiffer: Auch das hat es tatsächlich schon gegeben und gibt es immer wieder. Das gehört zum Alltag des Arztes dazu und kommt in Zeiten guter Konjunktur häufiger vor. In Zeiten schlechter Konjunktur fürchten die Leute mehr um ihren Arbeitsplatz und lassen sich nicht so gerne krankschreiben. Wenn die Wirtschaft brummt, dann wird schon gerne mal gefragt, ob man wegen dieser Erkältung nicht nur von Montag bis Mittwoch daheim bleiben kann, sondern bis Freitag, weil man sich ja richtig auskurieren will. Solche "Verhandlungen" gibt es schon mal. Der Arzt kann von außen beispielsweise nicht sehen, wie stark die Schmerzen wirklich sind. Ich denke, im Zweifel sollte der Arzt sich für den Patientenwunsch entscheiden, das Ganze innerhalb enger Grenzen.

 

Wenn man die Arztpraxis als ein Hort von Krankheitserregern sieht, dann sollte man sich doch vielleicht Alternativen überlegen, oder?

Peiffer: Wir haben eben darüber gesprochen, wie der Normalmensch, und das bin ich ja auch, der Grippegefahr begegnen sollte. Als Arzt und Inhaber einer Praxis muss man sich in mancherlei Hinsicht auf die besonderen Herausforderungen einstellen, indem man beispielsweise das Praxispersonal unbedingt impft. Gegen den Willen der Beschäftigten geht das nicht, aber man kann ihnen alles erklären und sie auch mal nachdrücklich auffordern, und auf diese Weise habe ich dieses Ziel zum Glück immer erreicht. Es handelt sich um eine Ober-forderung, dass alles Personal im medizinischen Bereich geimpft sein muss gegen Grippe.

Erkältet sind die Leute von November bis April. In Zeiten der echten Grippe wie gerade jetzt — und man merkt, wenn die Influenza umgeht — muss man Abstriche machen, einschicken und überprüfen lassen. Man bekommt dann als Arzt ein Gefühl, wie ernst die Grippe-Lage ist. Und wenn sie sehr ernst ist, sollte man versuchen, die sehr kranken Menschen gar nicht erst in die Praxis kommen zu lassen, sondern da sollte man als Arzt deutlich mehr als in anderen Zeiten unterwegs sein und Hausbesuche machen, um einfach die weitertragende Infektion zu vermeiden. Es empfiehlt sich auch, einfach das Wartezimmer nicht zu voll werden zu lassen. Das gelingt durch gezielte Planung von Terminen.

 

Sie erleben doch immer wieder den Anspruch der Patienten, dass ganz konkret für sie etwas getan wird, also ein Medikament verschrieben wird. Sagen Sie ihnen manchmal, dass Ruhe das Beste ist und gar keine Arznei nötig ist?

Peiffer: Das hat sich im Verlauf meiner Tätigkeit geändert, wohl auch in der Gesellschaft und nicht nur bei mir. Am Anfang war es selbstverständlich: Wenn jemand ohne Medikament aus der Praxis ging, dann hatte er den Eindruck, dass etwas nicht stimmte. Die Wahrheit ist natürlich, dass eine echte Grippe überhaupt nicht behandelt werden kann. Jeder Patient muss natürlich sehr sorgfältig untersucht werden. Im Endergebnis kann man ihm dann ganz einfach mitteilen: "Sie haben eine Grippe, Sie haben eine Infektion. Sie haben aber keine Bronchitis und keine Lungenentzündung." Gegen die eigentliche Krankheit kann man nichts unternehmen, aber man kann etwas gegen Kopf- und Gliederschmerzen geben. Bei einem hässlichen Husten, der nachts besonders schlimm ist, kann man Hustenblocker verschreiben. Aber noch einmal: Eine grundlegende Behandlung gibt es nicht. Wenn ich das den Patienten erkläre, dann verstehen sie das und sind durchaus einverstanden, dass sie keine Medikamente erhalten.

Ich glaube deshalb nicht, dass heutzutage durch Verschreibungen der Ärzte sehr viel Geld sinnlos ausgegeben wird. Das war früher anders. Inzwischen sind die Krankenkassen auch sehr streng. Und wenn die Leute sich selber was kaufen wollen, dann können Sie das machen. Sie dürfen aber nicht unbedingt sicher sein, dass ihnen das was hilft.

 

 

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