Atombombensicheres Hilfskrankenhaus in Gunzenhausen

5.8.2015, 08:00 Uhr
Atombombensicheres Hilfskrankenhaus in Gunzenhausen

© Wolfgang Dressler

Die Anlage stößt auf recht reges Interesse bei Jung und Alt. So war die Zahl der Führungen in den letzten Wochen sehr groß. Die Stadt hat nun neue Wege beschritten, um die Aufmerksamkeit von geschichtsbewussten Menschen noch mehr auf diesen Bunker zu richten.

Eigentlich ist das frühere Hilfskrankenhaus Sache des Landkreises, denn er ist der Eigentümer. Die Anlage wurde von 1963 bis 1965 geschaffen, kostete 3,85 Millionen Mark und ist 4000 Quadratmeter groß. Im Falle eines Atomkriegs hätten hier vor allem Verwundete aus dem Raum Nürnberg-Fürth Unterkunft gefunden. Umgeben von einer mächtigen Stahlhülle, hätten sich hier Ärzte und Pflegepersonal um die Menschen gekümmert. Dazu kam es nie. 1996 war offiziell Schluss mit dem Hilfskrankenhaus. Es birgt aber noch jede Menge technische und medizinische Ausstattung. Viele der Räume sind noch weitgehend so, wie sie gebaut und lange Zeit vorgehalten wurden, zum Beispiel ein OP-Bereich mit fünf Einheiten.

Der Landkreis überlässt das Hilfskrankenhaus der Stadt zur touristischen Nutzung. Diese Verwendung soll noch verstärkt werden. Deshalb wandte sich das Rathaus an die Hochschule Ansbach, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Frühere Projekte verliefen zur vollsten Zufriedenheit der beiden Partner. Diesmal ging es darum, das Hilfskrankenhaus medial, also auf einer eigenen Website, darzustellen. Etwa 30 Studenten, die sich der Panorama- oder der normalen Fotografie verschrieben haben, machten letztes Jahr zahlreiche Aufnahmen. Das umfangreiche Material wurde anschließend von acht Studenten des Fachs Web-Engineering aufgearbeitet. Das Ergebnis der ganzen Arbeit – die zur vollsten Zufriedenheit der beiden Professoren Christian Barta und Dr. Helmut Roderus ablief – ist nun unter www.hilfskrankenhaus.gunzenhausen.de zu sehen und zu hören, da auch akustische Elemente vorhanden sind.

Barta zog als Fazit, die Präsentation habe eine erzählerische Komponente hin zu einer „Zeit, die sich die jungen Leute kaum vorstellen können“. Roderus sagte, auch am Computer könnten die Menschen nun „in eine andere Zeit eintauchen“.

Die Studenten erschufen die (nicht reale Figur) einer Krankenschwester, die 1986 dabei ist, als das Hilfskrankenhaus einem großen Funktionstest unterzogen wurde. Später, viel später – die Aufnahme von DDR-Aussiedlern 1989 und von Aussiedlern aus Rumänien 1990 an diesem Ort sind schon lange Geschichte –, kommt sie zurück und sieht die Anlage in ihrem heutigen Zustand. Auf diesen Erlebnisteil (inklusive einem eigenen Logo des Hilfskrankenhauses) folgen einige Fakten. Man erfährt etwa, dass die Bettenzahl bei 600 lag. Der dritte Teil besteht aus einem virtuellen Rundgang. Der User kann tatsächlich in alle Richtungen navigieren und sich umschauen, auch zur Decke und zum Boden hin.

Der vierte Teil ist klein, aber für die städtischen Touristiker besonders wichtig. Wer sich auf der Website umgeschaut hat, kann direkt mit der Stadt Kontakt aufnehmen und sich für eine Führung anmelden. Nicht nur Touristik-Chef Wolfgang Eckerlein, sondern auch die Professoren aus Anbach können sich vorstellen, dass die neue Website die Neugier auf das reale Erlebnis unter Tage noch wachsen lässt. Bisher schon hat Wolfgang Faig, der die Führungen leitet, „ordentlich“ zu tun.

Bürgermeister Karl-Heinz Fitz glaubt, dass die Stadt hier noch mehr punkten kann. Er lobte die gute Kooperation mit der Hochschule und dem städtischen Medienbeauftragten Horst Schäfer, der die Verbindung zur FH hielt. Landrat Gerhard Wägemann meinte, das Hilfskrankenhaus sei eine historische Einrichtung und die Tatsache, dass sie im Originalzustand überhaupt noch existiert, stelle eine Besonderheit dar. Man verfüge über ein „spannendes Objekt“. Rein theoretisch könnte es wieder aktiviert werden, doch Wägemann glaubt selbst nicht daran. Er ist zwar auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, um Flüchtlinge aufzunehmen, doch der Bunker unter der Berufsschule scheide aus. Die Anlage erscheine heute niemandem mehr zumutbar.

Horst Schäfer hatte bei der Präsentation noch ein Bonmot parat. Der US-Lehrfilm „Duck and Cover“ zeigt, wie sich Zivilisten in den 50er-Jahren vor der Urgewalt einer Atomexplosion schützen sollten – einfach gruselig und lächerlich. Aber genau dieser Eindruck trägt wohl dazu bei, dass das einstige Hilfskrankenhaus auf dem Weg zu einer Art Touristenattraktion sein könnte.

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