Auch die Industrie setzt auf die Mädels

24.4.2015, 12:00 Uhr
Auch die Industrie setzt auf die Mädels

© Wolfgang Dressler

Dort wurde gefräst, gehämmert und geschraubt – und jede Menge erklärt. Im Mittelpunkt stand unter anderem eine moderne CNC-Maschine. Hans-Josef Zuckermeier, zuständig für die Ausbildung am Standort Gunzenhausen, Martin Beck und ihre Kollegen kümmerten sich um die weiblichen Besucher.

Schaeffler in Gunzenhausen ist ein typischer metallverarbeitender Betrieb innerhalb des großen Konzerns mit Sitz in Herzogenaurach. Mit anderen Worten: Das Personal bestand schon immer zum allergrößten Teil aus Männern. Die Arbeit ist manchmal körperlich schwer, es muss auch mal kräftig angepackt werden, es geht laut zu, und mit Schmutz kommt man auch in Berührung. Doch die Zeiten ändern sich, wie Personalleiterin Tanja Baierlein bestätigt. Die 530-köpfige Belegschaft weist ein Durchschnittsalter von 48 Jahren auf. In absehbarer Zeit werden erfahrene, „gestandene“ Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Nicht nur ihre reine Arbeitskraft, sondern auch ihr teils überragendes Wissen muss rechtzeitig ersetzt werden. Und hier kommen die Frauen ins Spiel.

„Wir haben mit weiblichen Auszubildenden und Beschäftigten gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Tanja Baierlein. Sie spricht von einem „belebenden Element“. Schaeffler bildet in den Berufen Industriemechaniker, Maschinenanlagenführer und vermutlich auch bald Verfahrensmechaniker aus. Eigentlich müsste man hinter alle drei Berufsbezeichnungen ein „/-in“ machen. Das Werk sucht natürlich, wie es das Gesetz vorschreibt, geschlechtsneutral nach Bewerbern – und wünscht sich einen stärkeren weiblichen Anteil. Die Personalleiterin erzählt etwa von einer Industriemechanikerin, die sich nach der Lehre weiter fortbildete (Technikerschule) und inzwischen Teamleiterin in einer reinen Männertruppe ist. „Das funktioniert.“ Eine andere Frau, bereits 35 Jahre alt, will Maschinenanlagenführerin werden. In der zweieinhalbjährigen Lehre ist sie mit jungen Azubis zusammen, die fast ihre Kinder sein könnten. Auch dafür ist Platz in einer Zeit, in der die Jahrgänge der künftigen Lehrlinge allgemein kleiner werden und sich Industrie wie Handwerk nach der Decke strecken müssen, um ausreichend Jugendliche für sich zu gewinnen, gerade im westlichen Mittelfranken, wo immer noch viele junge Leute nach der Schule in Richtung Nürnberg tendieren, um dort eine Lehre zu beginnen.

Ein Plus fürs Betriebsklima

Schaeffler hat bisher schon mit vielen Praktika auf sich aufmerksam gemacht und so potenziellen Nachwuchs an sich gebunden. Auch an den Schulen wirbt man für sich, etwa an der Realschule in Wassertrüdingen. Die Teilnahme am „Girls’ Day“ ist ein weiterer Baustein bei diesen Bemühungen. Personalleiterin Baierlein hält es für richtig und besser, wenn heutzutage die Mannschaft in der Lehrwerkstatt gemischt ist, also aus Jungen und Mädchen besteht. Nicht zuletzt werde auf diese Weise auch das Betriebsklima gefördert, so ihre Erkenntnis.

Schaeffler kann mit der Lehrlingswerkstatt auftrumpfen, außerdem werden alle Azubis garantiert übernommen, und es wird kräftig in die Sozialräume investiert, damit das Umfeld rund um die Produktion attraktiver wird. Auch darauf wurde beim „Girls’ Day“ hingewiesen. Der Aktionstag kann natürlich nur einen ersten Eindruck ermöglichen, nicht mehr und nicht weniger. Das weiß auch Gerhard Durst, operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur Ansbach-Weißenburg. Es gehe darum, dass Mädchen für ihr Geschlecht untypische Berufe erkunden und vielleicht alternative Interessen zu den sonst überwiegend im kaufmännischen oder sozialen Bereich konzentrierten Berufen entwickeln.

Seit 14 Jahren macht das regionale Arbeitsamt beim „Girls’ Day“ mit und muss feststellen, dass sich die Top Ten bei den Mädchenberufen kaum verändert haben. Zu etwa 60 Prozent möchten die jungen Frauen Kauffrau Büromanagement, Industriekauffrau, Medizinische Fachangestellte, Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel, Friseurin, Zahnmedizinische Fachangestellte, Bankkauffrau, Verwaltungsfachangestellte Kommunalverwaltung oder Hotelfachfrau werden. Durst: „Dabei sind die Möglichkeiten, einen der sehr beliebten kaufmännischen Ausbildungsplätze zu erlangen, wesentlich geringer als in den technischen Bereichen, in denen die Ausbildungsangebote die Bewerberzahlen übersteigen.“

Hat sich also trotz aller Bemühungen, dass Mädchen vermehrt für sie bisher untypische Berufe ergreifen, kaum etwas geändert? Das verneint Gerhard Durst, auch wenn er weiß, dass in den Köpfen der Jugendlichen, ihrer Eltern und vieler Betriebe noch immer „Barrieren“ bestehen. Immerhin haben sich 2014 im gesamten Agenturbezirk letztlich je zwölf Mädchen für den Beruf Technische Produktdesignerin und Fachkraft für Lagerlogistik entschieden, je neun Mädchen lernen Kfz-Mechatronikerin, Industriemechanikerin, Tischlerin, Elektronikerin Automatisierungstechnik, Malerin und Lackiererin. Die Liste lässt sich fortsetzen, wenngleich die Fallzahl geringer wird.

Meisterinnen ihres Faches

Auch in den technischen Studiengängen findet man mehr und mehr junge Frauen, weiß die Arbeitsagentur. In den Betrieben, die die Arbeitskreismitglieder und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit am „Girls’ Day“ besuchen, sind immer wieder gut qualifizierte junge Frauen beschäftigt, auch die eine oder andere Meisterin, die ihrerseits den interessierten Mädchen zeigen, was an ihrem Beruf so interessant ist.

Bei Schaeffler jedenfalls legt man Wert darauf, Mädels auszubilden. Diese könnten durchaus die Fachkräfte wie Führungskräfte von morgen sein. Tanja Baierlein empfiehlt allen Personalchefs: „Wenn Mädchen sich für ,Jungen-Berufe‘ interessieren, dann sollte man nicht skeptisch sein, sondern diese Chance nutzen.“ Den Girls sollte man dabei reinen Wein einschenken, im Fall von Schaeffler etwa auf die unumgängliche Schichtarbeit hinweisen.

Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen nahmen 250 Mädchen in 66 Betrieben am „Girls’ Day“ teil. In Stadt und Landkreis Ansbach waren es 460 Mädchen in 58 Betrieben, im Landkreis Roth rund 230 Mädchen in 66 Firmen.

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